Die Toechter der Familie Faraday
Gedanken um sie, als sie ahnte. Aber sie hatte es ja bisher durchs Leben geschafft, ohne sich ernsthafte Schrammen zuzuziehen. Wenn jemand auf sich aufpassen konnte, dann Miranda.
Eliza war so ganz anders. Verschlossen. Selbst als kleines Mädchen schon. Und sie neigte dazu, über andere zu urteilen. Aber sie war so zielstrebig. Wenn jemand in einer Branche wie diesem Fitnesskram Erfolg haben würde, dann sie.
Und Clementine. Seine kluge Clementine. Sie erstaunte ihn immer wieder aufs Neue. Wenn er sich vorstellte, dass sie mit ihrer Forschung weltweit führend war! Selbst der Einfall, was mit Maggie geschehen sollte, während sie auf ihren Exkursionen war, war inspiriert.
Leo hatte Sadies Reaktion sehr wohl zur Kenntnis genommen. Es war ihr nie gut gelungen, ihre Gefühle zu verbergen. Niemals im Leben hätte er das laut geäußert, aber insgeheim hielt er sie für das schwächste Junge im Nest. Es war schrecklich, so etwas zu denken, aber wenn er sah, wie Sadie sich anstrengen musste, um mit den anderen mitzuhalten, brach es ihm fast das Herz. In jüngeren Jahren hatte sie sich immer an Juliets unbeirrbarer Disziplin und ihrem Fleiß gemessen, an Mirandas Esprit, Elizas Entschlossenheit, Clementines Intelligenz, und sich immer benachteiligt gefühlt. Er hatte oft mit Tessa über Sadie gesprochen. »Wir müssen auf sie achtgeben«, hatte Tessa einmal gesagt. »Sie ist nicht wie die anderen.«
»Für sie ist es nur etwas schwieriger«, hatte Leo zu ihrer Verteidigung gesagt. »Das arme Ding erlebt nun einmal eine ungerechte Welt.«
Und er wusste nur zu gut, was das hieß. Immerhin konnte er mittlerweile an Tessas Tod denken, ohne vom Schauder der Verzweiflung und Trauer übermannt zu werden. Die Zeit heilte alle Wunden. Änderte vieles. Das Leben ging weiter. An all diesen Gemeinplätzen war etwas Wahres. Aber nirgendwo hieß es, dass die Sehnsucht niemals endete. Er vermisste Tessa jeden einzelnen Tag. Er brauchte kein Juli-Weihnachtsfest und auch keinen Geburtstagsthron, um an sie zu denken. Zu seiner Erleichterung hatte er festgestellt, dass er auch nicht ihre Sachen in seinem Kleiderschrank brauchte. Er wünschte nur, er hätte sich schon früher überwunden, etwas an die Mädchen weiterzugeben. Manchmal trugen sie etwas von Tessa, einen Schal oder eine Kette. Er sah das sehr gerne.
Doch er hatte ihnen nicht alles gezeigt. Etwas hatte er für sich behalten, etwas Kleines, Albernes. Eine Brosche. Er hatte sie Tessa an dem Tag geschenkt, als sie sich kennengelernt hatten. Er hatte die Brosche auf einem Jahrmarkt errungen. Er erinnerte sich noch immer an jede Einzelheit. Es war der Tag, der sein Leben verändert hatte. Sein Bruder Bill hatte vom College aus angerufen und gesagt, er würde für einen Tag zu Besuch kommen und eine Freundin mitbringen.
»Eine deiner vielen Freundinnen?«
»Die jüngste meiner vielen Eroberungen«, hatte er lachend erwidert, ganz der Herzensbrecher. »Sie wird dir gefallen.«
Sie hatte Leo mehr als gefallen. Er war ein Mann der Wissenschaften, aber er hätte Stein und Bein geschworen, dass er sich in dem Augenblick, als Tessa aus dem Auto stieg, in sie verliebt hatte. Sie hatte ihn an Elizabeth Taylor erinnert, mit dem herzförmigen Gesicht, der blassen Haut, den dunklen Augen und dem dunklen, welligen Haar. Sie hatte eine hellrosa Jacke mit dreiviertellangem Arm und einen knielangen Rock getragen. Leo hatte jedes Detail registriert, bis hin zu den Schuhen und der Handtasche. Alles an ihr war so weiblich. Sie hatte etwas Zartes an sich, was seinen Beschützerinstinkt ansprach, aber gleichzeitig hatte sie Feuer in den Augen. Sie hatte gelacht und er geglaubt, in ihrem warmen Lächeln zu versinken, als Bill sie einander vorstellte. »Und ich war der Meinung, Bill sähe gut aus«, hatte sie gesagt. »Dabei scheint das gute Aussehen in der Familie zu liegen.«
»Ich hab doch gesagt, dass sie Geschmack hat.« Bill lachte.
Leo erinnerte sich nicht, was er entgegnet hatte. Er erinnerte sich nur noch an das plötzliche Glücksgefühl. Ihm war gewesen, als ob jemand, auf den er lange gewartet hatte, endlich zu ihm gekommen wäre. Es hatte ihm nichts ausgemacht, dass Bill sich bei ihr einhakte und ihr nach allen Regeln der Kunst den Hof machte. Leo hatte gespürt, dass das mit Tessa für Bill nur eine Episode war.
Sie waren auf einen Jahrmarkt gegangen, Tessa hatte gelächelt und sich bei ihnen beiden eingehakt. An der Wurfbude hatte Tessa eine Brosche entdeckt, die ihr gefiel. Sie
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