Die Toechter der Kaelte
nicht.
Niclas hatte ein Temperament erkennen lassen, das sich nur schwer beurteilen ließ. Martin hatte seinen Blick gesehen, als er früher am Tag bei seinem Vater aufgetaucht war. Es hatte den Anschein gehabt, als wollte Niclas diesen am liebsten erschlagen, und wer weiß, was passiert wäre, hätte Martin da nicht gerade geklingelt.
Dennoch. Trotz dieser Widersprüche glaubte Martin nicht, daß Niclas seine Tochter mit voller Absicht hätte ertränken können. Und welches Motiv sollte er haben?
Schritte im Flur rissen ihn aus seinen Gedanken, und er hörte Charlotte und Niclas vorbeieilen. Neugierig überlegte er, was wohl so dringend war. Wenige Augenblicke später tauchte Patrik in der Tür auf, und Martin zog fragend die Augenbrauen hoch.
»Sara hat Albin verletzt«, sagte Patrik und setzte sich auf den Besucherstuhl.
Was für eine Antwort Martin auch erwartet hatte, diese jedenfalls nicht. »Woher wissen wir, daß sie die Wahrheit sagen?« fragte er. »Kann es nicht sein, daß Niclas versucht, den Verdacht von sich zu lenken?«
»Ja, schon möglich«, antwortete Patrik müde. »Aber ich muß sagen, ich glaube ihnen. Natürlich müssen wir das überprüfen, sie haben mir Namen und Telefonnummern von Leuten gegeben, die wir kontaktieren können. Außerdem scheint Niclas’ Alibi doch wasserdicht zu sein. Er behauptet, daß Jeanette gelogen hat, als sie sagte, er sei nicht bei ihr gewesen. Und zwar aus Rache, weil er Schluß gemacht hat. Und ich bin bereit, ihm auch da zu glauben, obwohl wir natürlich ein ernstes Wort mit der Dame reden müssen.«
»Was für ein …«, sagte Martin, und Patrik nickte zustimmend, noch bevor dieser den Satz zu Ende gebracht hatte.
»Ja, die Menschheit hat sich bei unserer Ermittlung nicht von ihrer besten Seite gezeigt«, sagte er, den Kopf schüttelnd. »Und apropos, sollen wir jetzt mit dieser Vernehmung anfangen?«
Martin nickte, nahm seinen Notizblock und stand auf, um Patrik zu folgen, der schon in der Tür war. Er sagte hinter ihm her: »Übrigens, hast du was von Pedersen gehört? Wegen der Asche auf dem Pullover des Kleinen?«
»Nein«, antwortete Patrik, ohne sich umzudrehen. »Aber sie wollten Vollgas geben und den Pullover und auch Majas Strampler so schnell wie möglich analysieren. Ich wette, sie stellen fest, daß die Asche aus ein und derselben Quelle stammt.«
»Welche es auch immer sein mag«, sagte Martin.
»Ja, welche es auch immer sein mag.«
Sie gingen ins Vernehmungszimmer und setzten sich Kaj gegenüber an den Tisch. Zunächst sagte niemand etwas, und Patrik blätterte gelassen in seinen Papieren. Zu seiner Zufriedenheit sah er, daß Kaj sich besorgt die Finger knetete und auf seiner Oberlippe kleine Schweißperlen standen. Der Mann war nervös, gut. Das erleichterte die Vernehmung. Und wenn man bedachte, wieviel sie nach der Hausdurchsuchung in der Hand hatten, brauchten sie sich keinerlei Sorgen zu machen. Solche Beweise sollte man bei jeder Ermittlung haben, das würde das Leben bedeutend vereinfachen.
Dann blieb nicht viel von seiner euphorischen Stimmung. Er hatte eine Fotokopie vom Brief des Jungen erhalten, und diese erinnerte ihn nun jäh daran, warum sie hier saßen und wer der Mann vor ihnen war. Patrik faltete entschlossen die Hände. Er betrachtete Kaj, dessen Blick flackerte.
»Eigentlich haben wir es nicht nötig, mit dir zu sprechen. Seit der Hausdurchsuchung haben wir genügend Beweise, um dich für lange hinter Schloß und Riegel zu bringen. Aber wir wollen dir eine Chance geben, uns deine Sicht zu erklären. So sind wir nämlich. Nette Jungs.«
»Ich weiß nicht, wovon ihr redet«, sagte Kaj mit zitternder Stimme. »Das hier ist Justizmord, ihr könnt mich nicht festhalten. Ich bin unschuldig.«
Patrik nickte nur teilnehmend. »Weißt du, das glaube ich dir fast. Und wahrscheinlich würde ich es sogar ganz bestimmt tun, wenn es das hier nicht gäbe.« Er holte aus seiner dicken Mappe ein paar Fotos und schob sie Kaj hin. Zufrieden stellte er fest, daß der erst bleich und dann rot wurde. Verwirrt sah er Patrik an.
»Ich habe doch gesagt, daß wir gute Computerleute haben, oder? Und habe ich nicht auch gesagt, daß Sachen nicht einfach weg sind, nur weil man sie löscht? Du hast die Dateien auf deinem Computer immer richtig gut gelöscht, aber leider nicht gut genug. Wir haben alles wiederhergestellt, was du runtergeladen und mit deinen Pädo-Kumpels geteilt hast. Fotos, Mails, Videos. Alles. Ausnahmslos.«
Kaj
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