Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toechter der Kaelte

Die Toechter der Kaelte

Titel: Die Toechter der Kaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
Vom Netzwerk:
nicht ausblieb. Sie saßen vor ihr wie drei Fische mit offenem Maul, und die beiden ersten hielten ihre Hand eine winzige Idee zu lange umfaßt. Aber mit dem Dritten stand es anders. Zu ihrer großen Verwunderung spürte Agnes, wie ihr Herz einen Sprung machte. Der große, grobknochige Mann blickte kaum zu ihr auf und ergriff ihre Hand nur ganz kurz. Die Hände der beiden anderen Männer hatten sich in der ihren weich und fast feminin angefühlt, aber die Hand dieses Mannes war anders. Sie konnte die Schwielen fühlen, und seine Finger waren lang und stark. Einen Augenblick hatte sie Lust, diese Hand nicht loszulassen, aber dann besann sie sich und nickte ihm nur reserviert zu. Die Augen, die nur flüchtig in die ihren sahen, waren braun, und sie vermutete wallonisches Blut in der Familie.
    Nachdem sie die Anwesenden begrüßt hatte, setzte sie sich rasch auf einen Stuhl in der Ecke und legte die Hände in den Schoß. Sie sah, daß ihr Vater zögerte. Am liebsten hätte er sie wohl aus dem Zimmer geschickt, aber sie zeigte ihre sanfteste Miene und sah ihn bittend an. Wie üblich entsprach er ihrem Willen. Er bedeutete ihr wortlos, daß sie bleiben könne, und sie beschloß, ausnahmsweise still wie eine Kirchenmaus zu sitzen, um nicht zu riskieren, wie ein dummes Gör aus dem Zimmer geschickt zu werden. Das sollte ihr vor diesem Mann hier nicht passieren.
    Normalerweise wäre sie nach einer Stunde schweigender Teilnahme vor lauter Überdruß dem Weinen nahe gewesen, doch diesmal war es anders. Die Stunde war wie im Flug vergangen, und nach der Zusammenkunft war sich Agnes ihrer Sache gewiß. Sie wollte diesen Mann haben, mehr als sie etwas je hatte haben wollen.
    Und was sie haben wollte, das pflegte sie zu bekommen.
     
    »Sollten wir nicht zu Niclas fahren?« Astas Stimme klang bittend. Aber sie sah keine Anzeichen von Mitgefühl im steinernen Gesicht ihres Gatten.
    »Sein Name soll in meinem Haus nie mehr genannt werden, habe ich doch gesagt!« Arne sah starr aus dem Küchenfenster, und sein Blick war hart wie Granit.
    »Aber nach dem, was mit dem Mädchen passiert ist…«
    »Das ist die Strafe Gottes. Habe ich nicht gesagt, daß es eines Tages soweit kommt? Nein, das ist ganz allein seine Schuld. Hätte er auf mich gehört, dann wäre das hier nie passiert. Nichts Böses widerfährt gottesfürchtigen Menschen. Und jetzt reden wir nicht mehr von der Sache!« Seine Faust schlug krachend auf den Tisch.
    Asta seufzte. Natürlich respektierte sie ihren Mann, und er wußte ja immer am besten über alles Bescheid, aber in diesem Fall fragte sie sich, ob er nicht unrecht hatte. Etwas sagte ihr, es konnte nicht mit Gottes Willen vereinbar sein, daß sie nicht an die Seite des Sohnes eilten, wenn ihn ein so harter Schlag getroffen hatte. Zwar war sie dem Mädel nie wirklich begegnet, aber es war dennoch ihr eigen Fleisch und Blut, und Kinder gehörten ja dem Reich Gottes an, so stand es in der Bibel. Aber das waren natürlich nur die Gedanken einer unbedeutenden Frau. Arne war schließlich der Mann, und der wußte es besser. So war es immer gewesen. Wie so viele Male zuvor behielt sie ihre Gedanken für sich und erhob sich, um den Tisch abzuräumen.
    Allzu viele Jahre waren vergangen, seit sie ihren Sohn gesehen hatte. Zwar liefen sie sich manchmal über den Weg, das war ja unausweichlich, jetzt wo er nach Fjällbacka zurückgekommen war, aber sie wußte, sie konnte nicht stehenbleiben und mit ihm reden. Er hatte es einmal versucht, aber sie hatte weggeschaut und war schnell weitergegangen, so wie es ihr befohlen war. Aber sie hatte den Blick nicht schnell genug gesenkt und den Schmerz gesehen, der sich in seinen Augen abzeichnete.
    Allerdings stand ja auch in der Bibel, daß man Vater und Mutter ehren sollte, und das, was sich an jenem Tag vor so langer Zeit ereignet hatte, war, soweit sie sehen konnte, ein Verstoß gegen Gottes Wort gewesen. Deshalb konnte sie ihn nicht wieder in ihr Herz lassen.
    Sie betrachtete Arne, der am Tisch saß. Noch immer gerade wie eine Föhre im Rücken, und das dunkle Haar war nicht lichter geworden, hatte nur graue Strähnen, obwohl sie beide die Siebzig hinter sich hatten. Ja wahrhaftig, dachte sie, die Mädchen waren ihm in jungen Jahren wirklich hinterhergelaufen, aber Arne war nie so veranlagt gewesen. Er hatte sie geheiratet, als sie erst achtzehn war, und ihres Wissens hatte er nicht einmal nach anderen geguckt. An und für sich war er auch daheim an Fleischlichem nicht sonderlich

Weitere Kostenlose Bücher