Die Toechter der Kaelte
und Erica waren seit Majas Geburt ziemlich oft zusammen.«
»Was meinst du, wie ist das passiert?«
Er seufzte und fingerte planlos an den vor ihm liegenden Papieren herum, ohne Annika anzusehen. »Sie ist ertrunken, wie du bestimmt gehört hast. Vermutlich ist sie zum Spielen runter zu den Landebrücken gegangen, ist reingefallen und nicht wieder rausgekommen. Das Wasser ist so kalt, daß sie bestimmt ziemlich schnell unterkühlt war. Mit der Nachricht zu Charlotte zu fahren, das war das absolut Beschissenste …« Seine Stimme brach, und er drehte sich weg, damit Annika nicht sah, wie ihm die Augen naß wurden.
Vorsichtig Schloß sie die Tür zu seinem Zimmer und ließ ihn in Ruhe dort sitzen. Nicht einmal sie brachte an einem Tag wie diesem viel zuwege.
Erica blickte erneut zur Uhr. Charlotte hätte vor einer halben Stunde kommen sollen. Vorsichtig schob sie Maja ein Stück zur Seite, die leise schniefend an ihrer Brust lag, und streckte den Arm nach dem Telefon aus. Sie ließ es lange klingeln, doch bei Charlotte nahm niemand ab. Merkwürdig, sie mußte aus dem Haus gegangen sein und vergessen haben, daß sie sich am Nachmittag treffen wollten. Das war wirklich nicht typisch für sie.
Erica hatte das Gefühl, daß sie sich in kürzester Zeit sehr nahe gekommen waren. Vielleicht, weil sie beide in einer heiklen Lebensphase steckten, vielleicht einfach, weil sie einander so ähnlich waren. Eigentlich war es lustig, daß Charlotte und sie sich viel mehr glichen, als Anna und sie es je getan hatten. Sie wußte, daß sich Charlotte Sorgen um sie machte, und das gab ihr mitten in dem Chaos das Gefühl von Geborgenheit. Erica hatte sich ihr Leben lang um andere gesorgt, in erster Linie um Anna, und daß sie jetzt ausnahmsweise mal klein und ängstlich sein durfte, war merkwürdig befreiend. Gleichzeitig wußte sie, daß Charlotte ihre eigenen Sorgen hatte. Nicht nur, daß sie und ihre Familie im Haus von Lilian wohnen mußten, mit der auszukommen nicht gerade leicht zu sein schien, in Charlottes Gesicht tauchte auch ein unsicherer, angestrengter Zug auf, sobald sie auf ihren Mann Niclas zu sprechen kam. Erika hatte ihn bei ein, zwei Gelegenheiten kurz getroffen, und ihr spontaner Eindruck war, daß er irgendwie unzuverlässig wirkte. Obwohl unzuverlässig vielleicht ein zu starkes Wort war, vielmehr wollte sie es lieber als ein Gefühl beschreiben, daß Niclas einer von diesen Menschen war, die gute Intentionen hatten, am Ende aber die eigenen Bedürfnisse und Wünsche denen aller anderen vorzogen. Manches von dem, was Charlotte erzählt hatte, bestätigte dieses Bild, auch wenn es oft nur zwischen den Zeilen durchklang, da sie von ihrem Mann häufig in bewundernden Worten sprach. Sie sah zu Niclas auf und hatte mehrfach direkt gesagt, sie könne nicht begreifen, daß sie so ein Glück gehabt hatte, daß es für sie unfaßbar sei, mit jemandem wie ihm verheiratet zu sein. Und sicher konnte Erica ganz objektiv feststellen, daß er in Bezug auf das Aussehen mehr Punkte einheimste als Charlotte - groß, blond und stattlich, wie er war; im Unterschied zu seiner Frau hatte er auch eine akademische Ausbildung. Aber wenn man die inneren Qualitäten in Betracht zog, sah Erica die Sache eher umgekehrt. Niclas sollte seinem glücklichen Stern danken. Charlotte war eine liebevolle, kluge und warmherzige Person, und sobald Erica es endlich geschafft hatte, aus ihrer Apathie herauszufinden, würde sie alles dafür tun, es Charlotte klarzumachen. Leider vermochte sie im Moment nichts anderes, als über die Situation der Freundin nachzudenken.
Ein paar Stunden später war die Dunkelheit hereingebrochen, und der Sturm vor dem Fenster blies mit voller Stärke. Erica sah an der Uhr, daß sie längere Zeit mit Maja, die sie im Schlummer als Nuckel benutzt hatte, geschlafen haben mußte. Sie wollte gerade nach dem Telefon greifen, um Charlotte anzurufen, als sie hörte, wie sich die Haustür öffnete.
»Hallo?« Sie erwartete Patrik erst in ein, zwei Stunden, vielleicht hatte Charlotte die Freundlichkeit, endlich aufzutauchen.
»Ich bin es.« Patriks Stimme hatte einen hohlen Klang, und Erica wurde sofort unruhig.
Als er das Wohnzimmer betrat, wurde sie noch besorgter. Er war grau im Gesicht, und die Augen wirkten wie tot, was erst verschwand, als er Maja zu Gesicht bekam, die noch immer in Ericas Armen schlief. Mit zwei großen Schritten war er bei ihnen, und bevor Erica reagieren konnte, hatte er ihr das schlafende Kind aus
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