Die Toechter der Kaelte
hielt.«
»Oh, verdammt.« Martin sah aus, als würde ihm schlecht. Patrik war es genauso ergangen, als der Rechtsmediziner davon berichtet hatte.
»Wir haben es also mit Mord zu tun«, sagte Martin, mehr um sich selbst von der Tatsache zu überzeugen.
»Ja, und wir haben bereits zwei Tage verloren. Wir müssen die Nachbarn befragen, die Familie und andere Nahestehende hören und alles nur mögliche über das Mädchen und ihre nächste Umgebung in Erfahrung bringen.«
Martin verzog das Gesicht, und Patrik verstand seine Reaktion. Es war keine schöne Aufgabe, die vor ihnen lag. Die Familie war bereits am Boden zerstört, und jetzt würden sie gezwungen sein, noch zwischen den Trümmern herumzuwühlen. Allzu oft gehörten Kindsmörder jenem Kreis an, der am meisten trauern sollte, und sie konnten deshalb nicht das Mitgefühl erweisen, das man einer Familie, die ein Kind verloren hatte, normalerweise entgegenbrachte.
»Bist du schon bei Mellberg gewesen?«
»Nein«, seufzte Patrik. »Aber ich werde jetzt hingehen. Da wir beide dieser Tage auf diesem Einsatz waren, werde ich ihn bitten, die Ermittlung zusammen mit dir führen zu dürfen. Ist dir doch recht?« Er wußte, daß die Frage rein rhetorisch war. Keiner von ihnen wollte die Kollegen Ernst Lundgren oder Gösta Flygare für etwas Wichtigeres als Fahrraddiebstähle verantwortlich sehen.
Martin nickte nur kurz zur Bestätigung.
»Okay«, sagte Patrik, »dann ist es wohl das beste, die Sache hinter sich zu bringen.«
Kommissar Mellberg blickte auf den vor ihm liegenden Brief, als handle es sich um eine giftige Schlange. Das hier war eins der schlimmsten Dinge, die ihm zustoßen konnten. Sogar dieser ärgerliche Vorfall mit Irina im letzten Sommer verblaßte im Vergleich dazu.
Kleine Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet, obwohl die Temperatur seines Zimmers eher in Richtung kühl tendierte. Mellberg wischte sie zerstreut weg und riß dabei das Haar herunter, das er sorgfältig über der Halbglatze drapiert hatte. Als er sich verärgert bemühte, es wieder an seinen Platz zu bringen, klopfte es an der Tür. Er beeilte sich, letzte Hand an sein Werk zu legen, und rief verdrossen: »Herein.«
Hedström schien unberührt von Meilbergs Tonfall, aber sein Gesicht zeigte eine für ihn ungewöhnlich ernste Miene. In der Regel hielt er Patrik für zu leichtlebig. Er zog es vor, mit Männern wie Ernst Lundgren zu arbeiten, die Vorgesetzte immer mit dem ihnen zustehenden Respekt behandelten. Was Hedström anging, hatte er stets das Gefühl, der könnte ihm, sobald er ihm nur den Rücken zudrehte, die Zunge herausstrecken. Aber die Zeit würde die Spreu vom Weizen trennen, dachte Mellberg grimmig. Mit seiner langen Erfahrung im Polizeiberuf wußte er, daß Weicheier und Witzbolde als erste kaputtzugehen pflegten.
Für eine Sekunde war es ihm gelungen, den Inhalt des Briefes zu vergessen, aber als Hedström auf der anderen Seite seines Schreibtischs Platz nahm, fiel ihm ein, daß dieser deutlich sichtbar vor ihm lag, und unauffällig ließ er ihn rasch in der obersten Schublade verschwinden. Mit dieser Frage würde er sich noch früh genug beschäftigen.
»Nun, was steht an?« Mellberg hörte selbst, daß seine Stimme durch den Schock noch immer leicht zitterte, und zwang sich, sie zu stabilisieren. Nie Schwäche zeigen, war sein Lebensmotto. Entblößte man vor Untergebenen die Kehle, schlugen sie rasch ihre Zähne hinein.
»Ein Mord«, erwiderte Patrik kurz.
»Was denn jetzt«, seufzte Mellberg. »Hat einer unserer alten Bekannten mit den harten Fäusten seiner Alten zuviel aufs Dach gegeben?«
Hedströms Gesicht war noch immer ungewöhnlich verbissen. »Nein«, entgegnete er, »es geht um die Wasserleiche von vor ein paar Tagen. Es stellte sich heraus, daß es trotz allem kein Unfall war. Das Mädchen wurde ertränkt.«
Mellberg pfiff leise. »Was du nicht sagst, was du nicht sagst«, äußerte er vage, während ihm die Gedanken wirr durch den Kopf gingen. Einerseits entrüsteten ihn Verbrechen gegen Kinder stets, andererseits versuchte er rasch einzuschätzen, welche Wirkung die unerwartete Entwicklung der Ereignisse auf ihn in seiner Eigenschaft als Chef der Tanumsheder Polizeidienststelle hatte. Man konnte es von zwei Seiten sehen: entweder als eine verdammte Menge Verwaltungskram und Mehrarbeit oder als einen Schritt die Karriereleiter hinauf, zurück in die oberen Sphären Göteborgs. Zwar mußte er zugeben, daß die zwei geglückten
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