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Die Toechter der Kaelte

Die Toechter der Kaelte

Titel: Die Toechter der Kaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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die Kälte noch zu reflektieren, und Pedersen erschauerte in seinem grünen Operationskittel. Sie lag nackt vor ihm, und als er jetzt an dem wehrlosen Körper zog und herumschnitt, hatte er das Gefühl, er würde sich an ihr vergreifen. Aber er zwang sich, diese Vorstellung abzuschütteln. Er wußte, daß die Aufgabe, die er jetzt erledigte, wichtig war, sowohl im Hinblick auf das Mädchen als auch auf ihre Eltern, obwohl sie es selbst vielleicht nicht immer verstanden. Es war notwendig für den Verlauf der Trauer, daß man einen endgültigen Bescheid über die Todesursache erhielt. Selbst wenn es wie im vorliegenden Fall nichts an Auffälligkeiten zu geben schien, hatte man den Regeln aus bestimmten Gründen zu folgen. Als Arzt war ihm die Sache klar, aber nicht als Vater, der daheim zwei Jungen hatte. In Fällen wie diesen fragte er sich stets, wie menschlich diese Tätigkeit, der er da nachging, eigentlich war.
     
    Strömstad 1923
     
    »Agnes, ich habe heute nur uninteressante Zusammenkünfte. Es ist kein guter Einfall, daß du mitkommst.«
    »Aber ich will heute mitkommen. Ich habe solche Langeweile. Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
    »Aber deine Freundinnen …«
    »Alle haben was vor«, unterbrach ihn Agnes verdrossen. »Britta bereitet ihre Hochzeit vor, Laila will mit ihren Eltern nach Halden, um ihren Bruder zu besuchen, und Sonja muß ihrer Mutter helfen.« Mit trauriger Stimme fügte sie hinzu. »Ja, wenn man doch eine Mutter hätte, der man helfen könnte …« Sie linste unter ihrem Pony zum Vater hoch. Wie immer tat das seine Wirkung.
    Er seufzte. »Na meinetwegen, dann komm mit. Aber du mußt versprechen, still dazusitzen und nicht wie ein Wirbelwind herumzusausen und mit dem Personal zu reden. Beim letzten Mal hast du den armen Kerlen völlig den Kopf verdreht, und es dauerte mehrere Tage, bis sie sich wieder normal benahmen.« Er konnte nicht anders, als seiner Tochter zuzulächeln. Widerspenstig war sie, aber ein hübscheres Mädel konnte man diesseits der Grenze nirgendwo finden.
    Agnes lachte zufrieden, als sie die Diskussion wieder einmal siegreich für sich entschieden hatte, und sie belohnte ihren Vater mit einer Umarmung und einem Klaps auf den dicken Bauch.
    »Niemand hat einen solchen Vater wie ich«, gurrte sie, und August lachte zufrieden.
    »Was sollte ich ohne dich anfangen?« sagte er halb im Ernst, halb im Scherz und zog sie an sich.
    »Oh, deswegen brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich habe nicht vor, hier wegzugehen.«
    »Nein, im Augenblick nicht«, erwiderte er traurig und strich ihr über das dunkle Haar. »Aber es wird bestimmt nicht lange dauern, da kommt irgendein Kerl daher und nimmt dich mir weg. Wenn du überhaupt jemanden finden kannst, der dir gut genug ist«, sagte er lachend. »Bisher warst du ja ziemlich wählerisch, muß ich sagen.«
    »Ja, ich kann doch nicht jeden x-beliebigen nehmen«, scherzte Agnes zurück. »Nicht bei dem Vorbild, das ich hatte. Da ist es doch kein Wunder, wenn ein Mädchen wählerisch wird.«
    »Na, na, meine Kleine, genug jetzt mit der Lobhudelei«, sagte August geschmeichelt. »Beeil dich ein wenig, wenn du nun unbedingt mit ins Büro willst. Es gehört sich nicht, daß der Direktor zu spät kommt.«
    Trotz seiner ermahnenden Worte dauerte es nahezu eine Stunde, bis sie losfahren konnten. An Frisur und Kleidern mußte erst eine Menge geordnet werden, doch als Agnes dann fertig war, konnte August das Ergebnis nur für gut befinden. Eine halbe Stunde verspätet betraten sie schließlich das Büro.
    »Ich bitte, mein spätes Erscheinen zu entschuldigen«, sagte August, als er in das Zimmer hineinbrauste, wo drei Männer wartend dasaßen. »Aber ich hoffe, Sie werden mir verzeihen, wenn sie den Anlaß für meine Saumseligkeit erblicken.« Er wies mit der Hand auf Agnes, die dicht hinter ihm eintrat. Sie war mit einem roten, enganliegenden Kostüm bekleidet, das ihre schlanke Taille betonte. Obwohl viele Mädchen ihre Haare, der Mode der zwanziger Jahre entsprechend, der Schere geopfert hatten, war Agnes klug genuggewesen, dem zu widerstehen, und sie trug ihr dickes, schwarzes Haar in einem einfachen Haarknoten im Nacken zusammengenommen. Sie wußte nur zu gut, wie sie aussah, und nutzte diese Tatsache bis zur Neige aus, als sie vor den Männern stehenblieb, langsam die Handschuhe von den Fingern zog und einem nach dem anderen dann gestattete, ihr die Hand zu geben.
    Mit großer Befriedigung konnte sie feststellen, daß die Wirkung

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