Die Toechter der Kaelte
interessiert gewesen, aber ihre Mutter hatte immer gesagt, daß dieser Teil der Ehe die Pflicht der Frau war und nichts, was einem Freude bereitete, also hatte sich Asta glücklich geschätzt, weil sie auf diesem Gebiet keine größeren Erwartungen erfüllen mußte.
Einen Sohn hatte sie jedenfalls geboren. Einen großen, prächtigen, blonden Jungen, der seiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten war und nur wenig von seinem Vater hatte. Vielleicht war deshalb alles so schiefgelaufen. Wäre er seinem Vater ähnlicher gewesen, dann hätte Arne vielleicht mehr an dem Jungen gehangen. Nun war dem nicht so. Der Junge war von Anfang an der Ihre gewesen, und sie hatte ihn so sehr geliebt, wie sie es nur vermochte. Aber das hatte nicht gereicht. Denn als der Tag der Entscheidung kam, als sie zwischen dem Sohn und seinem Vater wählen mußte, hatte sie ihn im Stich gelassen. Was hätte sie anderes tun können? Eine Ehefrau mußte ihrem Gatten zur Seite stehen, das hatte sie von Kindesbeinen an gelernt. Doch zuweilen, in dunklen Momenten, wenn die Lampe gelöscht war, sie im Bett lag und grübelnd an die Decke starrte, dann kamen diese Gedanken. Überlegungen, warum etwas, das sie als richtig gelernt hatte, sich so falsch anfühlte. Deshalb war es so schön, daß Arne immer wußte, wie die Dinge zu sein hatten. Er hatte ihr viele Male auseinandergesetzt, daß dem Verstand der Frauen nicht zu trauen war und der Mann deshalb die Aufgabe hatte, die Frau zu führen. Darin lag Sicherheit. Ihr Vater hatte in vielem ihrem Arne sehr geglichen, mithin war die einzige Welt, die sie kannte, jene, in der der Mann bestimmte. Und ihr Arne war ja auch so klug. Das sagten alle. Sogar der neue Pfarrer hatte ihn unlängst so gelobt. Er hatte gesagt, Arne sei der verläßlichste Küster, mit dem er je das Vergnügen hatte zusammenzuarbeiten, und daß Gott dankbar sein könne, solche Diener zu haben. Das hatte Arne bei seiner Heimkehr mit stolzgeschwellter Brust erzählt. Aber es war ja nicht von ungefähr, daß Arne schon seit zwanzig Jahren Küster in Fjällbacka war. Ja, wenn man die unseligen Jahre nicht mitzählte, als diese Frau hier das Amt bekleidete. Diese Jahre wünschte sich Asta für nichts in der Welt zurück. Gott sei Dank verstand die Person zum Schluß, daß sie hier nicht erwünscht war, und machte einem richtigen Pfarrer Platz. Was Arne, der Ärmste, in dieser Zeit gelitten hatte. Zum ersten Mal in den mehr als fünfzig Jahren ihrer Ehe hatte sie erlebt, daß ihm Tränen in die Augen stiegen. Der Gedanke, daß in seiner geliebten Kirche eine Frau auf der Kanzel stand, hatte ihn fast zugrunde gerichtet. Aber er hatte auch gesagt, er vertraue darauf, daß Gott die Krämer am Ende aus dem Tempel treibe. Und auch diesmal hatte Arne recht behalten.
Sie wünschte nur, er könnte auf irgendeine Weise in seinem Herzen Raum finden, um dem Sohn das Geschehene zu verzeihen. Bis dahin würde sie nie mehr einen glücklichen Tag erleben. Aber ihr war auch klar, wenn er dem Sohn nach dem, was jetzt passiert war, nicht verzeihen konnte, dann gab es keine Hoffnung auf Versöhnung.
Wenn sie das Mädchen doch nur kennengelernt hätte. Nun aber war es zu spät.
Zwei Tage waren vergangen, seit sie Sara gefunden hatten, und die anfängliche Niedergeschlagenheit hatte unerbittlich weichen müssen, schließlich waren sie gezwungen, die normalen Aufgaben zu erledigen, die nicht ausblieben, weil ein Kind gestorben war.
Patrik schrieb gerade die letzten Zeilen eines Einsatzberichts wegen eines Falls von Körperverletzung, als das Telefon klingelte. Auf dem Display sah er, woher das Gespräch kam, und nahm seufzend den Hörer ab. Es war das beste, die Sache hinter sich zu bringen. Die wohlbekannte Stimme des Rechtsmediziners Tord Pedersen erklang am anderen Ende. Sie wechselten höflich ein paar Begrüßungsfloskeln, bevor sie auf das eigentliche Anliegen zu sprechen kamen. Als erstes Anzeichen dafür, daß Patrik nicht zu hören bekam, was er erwartete, erschien eine Falte zwischen seinen Augenbrauen. Nach einer weiteren Minute wurde sie immer tiefer, und als er alles erfahren hatte, was der Rechtsmediziner zu berichten hatte, knallte er krachend den Hörer auf den Apparat. Er sammelte sich einen Moment, in dem ihm die Gedanken kreuz und quer durch den Kopf schossen. Dann stand er auf, nahm den Block, auf dem er während des Gesprächs ein paar Notizen gemacht hatte, und ging zu Martin hinüber. Eigentlich hätte er zuallererst zu Bertil
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