Die Toechter der Kaelte
immer zubereitete.
Schritte auf der Treppe ließen sie etwas tiefer unter die Bettdecke rutschen und leise wimmern. Fleischbällchen sollten es werden, beschloß sie, eine Sekunde bevor die Tür zu ihrem Zimmer aufging.
Seit gestern hatte die Wut in ihm rumort. Was für eine Frechheit, diese verdammte Person hatte wahrhaftig überhaupt keine Skrupel. Ihn bei der Polizei anzuzeigen. Kaj war sich im klaren, daß die Gerüchte bald durch den Ort schwirren würden, und da spielte es keine Rolle, was er dazu sagte, das einzige, was den Leuten im Kopf blieb, war, daß die Polizei ihn besucht und Fragen zum Tod des Mädchens gestellt hatte. Er ballte die Fäuste, bis die Knöchel weiß wurden, und nach einigem Zögern zog er die Jacke an und begab sich entschlossenen Schritts nach draußen. Der Bretterzaun, den er zwischen den Grundstücken errichtet hatte, hinderte ihn, einfach quer durchzugehen, also nahm er die Straße und begab sich dann über die Auffahrt zu Florins hoch. Er hatte sich vergewissert, daß sowohl Niclas als auch Charlotte aus dem Haus waren, bevor er hinüberging. Jetzt würde er mit diesem Satansbraten mal ein wahres Wörtchen reden. Da er damit rechnete, daß sie, wie alle anderen im Ort, selten die Haustür abschloß, ging er, ohne anzuklopfen, hinein und betrat die Küche. Sie fuhr zusammen, als er auftauchte, aber beherrschte sich rasch und setzte ihre spitzlippige, hochnäsige Miene auf. Sie bildete sich ein, wer weiß wer zu sein. Eine verdammte Königin und nicht nur ein normales, blödes Kleinstadtweib.
»Was soll das heißen, daß du mir die Polizei auf den Hals hetzt?« brüllte er und hieb die Faust auf den Küchentisch.
Sie schaute ihn kalt an. »Sie fragten, ob wir jemanden wüßten, der unserer Familie übelwollte, und da war es nicht so weit hergeholt, an dich zu denken. Und wenn du nicht machst, daß du aus meinem Haus kommst, dann rufe ich die Polizei. Dann können die selber sehen, wozu du imstande bist.«
Er mußte sich zusammennehmen, um sich nicht auf sie zu stürzen und ihr die Hände um den Hals zu legen. Ihre scheinbare Ruhe ließ ihn noch mehr kochen, und vor seinen Augen tanzten kleine Flecken.
»Wag das bloß nicht, du verdammtes Scheißweib!«
»Ich, ich sollte das nicht wagen? Da kannst du aber Gift drauf nehmen. Du hast mich und meine Familie genügend bekriegt, hast uns bedroht und schikaniert.« Sie griff sich theatralisch an die Brust und nahm diesen Opferausdruck an, den er im Laufe der Jahre zu hassen gelernt hatte.
Ständig gelang es ihr aufs neue, ihn als Buhmann und sich selbst als Opfer hinzustellen, wo es in Wahrheit genau umgekehrt war. Er hatte versucht, der Klügere zu sein, sich nicht auf ihr Niveau hinabzulassen. Doch vor ein paar Jahren hatte er beschlossen, wenn sie Krieg wollte, sollte sie ihn haben. Seitdem waren alle Mittel erlaubt.
Wieder mußte er sich beherrschen und zischte nur durch die Zähne: »Jedenfalls ist dir das nicht gelungen. Die Polizei war nicht gerade bereit, deinen Lügen über mich zu glauben.«
»Ja, aber die Polizei hat noch andere Möglichkeiten, um die Sache zu untersuchen«, erwiderte Lilian boshaft.
»Wie meinst du das?« fragte Kaj, aber beantwortete sich die Frage selbst, als er begriff, was sie im Sinn hatte. »Laß ja Morgan aus dem Spiel, hast du gehört.«
»Da muß ich ja wohl kaum was sagen.« Ihr Ton klang schadenfroh. »Die Polizei dürfte wohl bald von selbst darauf kommen, daß im Haus nebenan einer wohnt, der im Kopf nicht ganz richtig ist. Und wozu so einer imstande sein kann, das weiß ja jeder. Wenn nicht anders, brauchen sie ja nur in die Berichte zu sehen, die bei ihnen liegen.«
»Diese Anzeigen waren nichts als Gewäsch, das weißt du ganz genau! Morgan hat nicht mal euer Grundstück betreten, geschweige denn durch euer Fenster gelinst.«
»Tja, ich weiß nur, was ich gesehen habe«, sagte Lilian. »Und das wird die Polizei auch wissen, sobald sie in ihre Papiere blickt.«
Er gab keine Antwort. Es hatte keinen Sinn. Die Wut übermannte ihn.
Tief versunken in die Akten auf seinem Schreibtisch, fuhr Martin zusammen, als Patrik an die Tür klopfte.
»Ich wollte nicht, daß du einen Herzinfarkt bekommst«, sagte Patrik lächelnd. »Bist du beschäftigt?«
»Nein, komm nur rein.« Er winkte Patrik ins Zimmer. »Wie ist es gelaufen? Habt ihr von dem Lehrer was über die Familie erfahren?«
»Der Lehrerin«, berichtigte Patrik. »Nein, das hat nicht viel gebracht«, sagte er und trommelte
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