Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toechter der Kaelte

Die Toechter der Kaelte

Titel: Die Toechter der Kaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
Vom Netzwerk:
heim zu Vater.
     
    Monica empfand den Schrecken wie einen Schlag in die Magengrube. »Ist die Polizei hiergewesen?«
    Morgan nickte, aber nahm den Blick nicht vom Bildschirm. Sie wußte, daß es eigentlich der falsche Moment war, um mit ihm zu sprechen. Nach seinem Zeitplan arbeitete er jetzt, und da durfte man ihn nicht stören. Aber sie konnte nicht anders. Unruhe erfaßte ihren Körper, und sie trat von einem Fuß auf den anderen. Sie wollte zu dem Sohn hingehen und ihn schütteln, ihn dazu bringen, mehr zu erzählen, ohne daß sie Fragen zu jeder Einzelheit stellen mußte, aber sie wußte, es war vergeblich. Sie mußte die Sache geduldig wie immer angehen.
    »Was haben sie gewollt?«
    Noch immer weigerte er sich, den Blick vom Bildschirm zu lösen, und antwortete ihr, ohne daß die Finger, die über die Tastatur flogen, auch nur eine Sekunde ihre Schnelligkeit verloren. »Sie fragten nach dem Mädchen, das gestorben ist.«
    Ihr Herz setzte gleich mehrere Schläge aus. Mit heiserer Stimme erwiderte sie: »Was haben sie denn gefragt?«
    »Unter anderem, ob ich gesehen habe, wann sie am Morgen los ging.«
    »Hattest du das denn?«
    »Hatte was denn?« erwiderte Morgan zerstreut. »Hattest du sie gesehen?«
    Er ignorierte die Frage. »Warum kommst du jetzt? Du weißt doch, daß es nicht in meinen Zeitplan paßt. Du kommst sonst nur her, wenn ich nicht arbeite.« Die hohe, schrille Stimme enthielt keinen Vorwurf, stellte nur die Tatsache fest. Sie war von ihren üblichen Gewohnheiten abgewichen, hatte seinen Rhythmus gestört und wußte, daß es ihn verblüffen mußte. Aber sie konnte sich nicht beherrschen. Sie mußte es erfahren.
    »Hast du sie gesehen, als sie losgegangen ist?«
    »Ja, ich habe gesehen, als sie losging«, erwiderte er. »Ich habe es der Polizei erzählt, habe auf alle ihre Fragen geantwortet. Obwohl auch sie meinen Zeitplan störten.«
    Jetzt drehte er sich halb zu ihr um und schaute sie mit seinem intelligenten, aber seltsamen Blick an. Seine Augen wirkten stets gleich. Sie wechselten niemals den Ausdruck, zeigten keine Gefühle. Zumindest jetzt nicht mehr. Inzwischen hatte er gelernt, sein Leben in gewisser Weise unter Kontrolle zu bekommen. Als er jünger war, hatte er zuweilen gewaltige Wutausbrüche gehabt, aus Frustration über Dinge, die er nicht beeinflussen, oder Entscheidungen, die er nicht treffen konnte. Dabei konnte es sich um alles mögliche handeln, den Tag, an dem er eine Dusche nehmen oder was er zu Mittag essen wollte. Aber sie hatten es beide gelernt. Jetzt war das Leben genau eingeteilt, und die Entscheidungen waren getroffen. Er duschte jeden zweiten Tag, es gab vier Gerichte für ihn, zwischen denen sie nach einem festen Schema wechselte, und Frühstück und Mittagsimbiß sahen jeden Tag gleich aus. Die Arbeit war auch eine Rettung für ihn geworden. Es war etwas, das er gut beherrschte, was ihm die Möglichkeit gab, seine hohe Intelligenz zu nutzen, und was zu der speziellen Veranlagung eines Asperger-Betroffenen paßte.
    Es war äußerst selten, daß Monica zur falschen Zeit herkam. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie es das letzte Mal getan hatte. Aber jetzt war er nun einmal gestört worden, da konnte sie ebensogut weitermachen.
    Sie folgte einem der Gänge durch die Zeitschriftenberge und setzte sich auf die Bettkante. »Ich will nicht, daß du mit denen redest, wenn ich nicht dabei bin.«
    Morgan nickte nur. Dann drehte er sich ganz zu ihr um, saß mit dem Bauch an die Rückenlehne gedrückt da, die Arme auf deren Oberkante verschränkt. »Glaubst du, ich hätte sie sehen dürfen, wenn ich darum gebeten hätte?«
    »Wen sehen?« fragte Monica verblüfft.
    »Sara.«
    »Was meinst du damit?« Monica fühlte, wie sich das Zimmer zu drehen begann. Der Druck der letzten Tage hatte sie aus dem Gleichgewicht gebracht, und Morgans Frage brachte sie um die Selbstbeherrschung. »Warum willst du sie denn sehen?« Sie konnte den Zorn in der Stimme nicht unterdrücken, aber wie üblich reagierte er nicht darauf. Sie war sich nicht einmal sicher, ob er begriff, daß ihr lauterer Ton bedeutete, daß sie aufgebracht war.
    »Um zu sehen, wie sie jetzt aussieht«, gab er gelassen zur Antwort.
    »Und warum?« Ihre Stimme stieg noch höher, und sie fühlte, wie ihre Hände sich ballten. Die Angst hielt sie in festem Griff, und jedes Wort von Morgan empfand sie als weiteren Schritt in die entsetzliche Finsternis hinein.
    »Um zu sehen, wie tot sie aussieht«, antwortete er, den Blick

Weitere Kostenlose Bücher