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Die Toechter der Kaelte

Die Toechter der Kaelte

Titel: Die Toechter der Kaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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anders ihr Leben hätte sein können. Wenn ihr Vater nur nicht so starrköpfig gewesen wäre. Hin und wieder hatte sie erwogen, nach Strömstad zufahren, sich vor ihm auf die Knie zu werfen und ihn anzuflehen, sie wieder in Gnaden aufzunehmen. Wenn sie nur glauben könnte, daß auch nur die geringste Aussicht auf ein Gelingen dieses Unternehmens bestände, hätte sie es längst getan. Aber sie kannte ihren Vater im Guten wie im Schlechten und wußte tief im Herzen, daß es keinen Sinn hatte. Sie steckte hier, wo sie saß, fest, und bis sie auf eine Idee kam, wie sie sich aus der jetzigen Situation befreien konnte, mußte sie ihre Zeit abwarten.
    Sie hörte Schritte auf der Treppe vor dem Haus. Mit einem Seufzer stellte sie fest, daß es sicher Anders war, der heimkam. Wenn er erwartete, daß das Essen auf dem Tisch stand, irrte er sich gründlich. Angesichts der Schmerzen und Qualen, die sie ertragen mußte, weil sie sein Kind austrug, konnte er sich ruhig selbst an den Herd stellen und ihr die Abendmahlzeit zubereiten. Nicht, daß sie eben viel im Haus hätten. Das Geld war schon eine Woche nach dem Lohntag ausgegeben, und bis zum nächsten Zahltag dauerte es noch eine ganze Woche. Doch da er mit dem Ehepaar Jansson aus dem Zimmer nebenan auf so gutem Fuß stand, konnte er sicher dort hingehen und ein Stück Brot erbetteln, vielleicht auch irgend etwas, um Suppe zu kochen.
    »Guten Abend, Agnes«, sagte Anders und trat verzagt ein. Obwohl sie jetzt bereits mehr als ein halbes Jahr verheiratet waren, hatte er noch immer nicht das Gefühl, hier zu Hause zu sein, und blieb verloren auf der Schwelle stehen.
    »Guten Abend«, fauchte sie und rümpfte die Nase über seine schmutzige Erscheinung. »Mußt du hier den Dreck reinschleppen? Zieh wenigstens die Schuhe aus.«
    Gehorsam tat er, was sie sagte, und stellte die Schuhe auf die Vortreppe. »Gibt es was zu essen?« fragte er, worauf Agnes die Augen aufriß, als hätte er gerade den schlimmsten aller Eide geschworen.
    »Sehe ich vielleicht so aus, als könnte ich hier stehen und für dich Essen kochen? Ich kann mich kaum auf den Beinen halten. Und übrigens, mit welchem Geld hätte ich wohl etwas einkaufen sollen? Du bringst ja nicht genug nach Hause, damit wir uns wie normale Menschen ernähren können, nicht eine einzige Ore ist noch übrig. Und der Kaufmann, dieser alte Widerling, gibt uns keinen Kredit mehr.«
    Anders verzog das Gesicht bei dem erwähnten Kredit. Er verabscheute es, Schulden zu haben, aber während der Monate, die er mit Agnes zusammenwohnte, hatte sie eine Unmenge Dinge anschreiben lassen.
    »Ja, ich dachte, wir sollten mal reden, also darüber …«, er zog den Satz in die Länge, und Agnes begann Unheil zu wittern. Das hier klang nicht sehr vielversprechend.
    Anders sprach weiter: »Es ist wohl das beste, wenn ich den Lohn von jetzt an in der Hand behalte.«
    Als er das sagte, schaute er ihr nicht in die Augen, und sie fühlte Wut in sich aufsteigen. Was meinte er damit? Sollte ihr jetzt auch die letzte Freude genommen werden, die sie im Leben noch hatte?
    Sich des Sturms, den seine Worte verursachten, nur unbestimmt bewußt, sagte Anders: »Es ist für dich ja schon jetzt mühselig, zum Kaufmann zu gehen, und dann, wenn das Kind da ist, wird es schwer werden, von hier loszukommen, also ist es das beste, wenn ich mich um die Sache kümmere.«
    Sie war so aufgebracht, daß sie nicht ein Wort herausbrachte. Dann überwand sie ihre vorübergehende Stummheit und gab ihm deutlich zu verstehen, was sie von dieser Idee dachte. Sie sah, daß er sich voller Unbehagen wand, weil die halbe Baracke hörte, wie sie ihn beschimpfte, aber das war ihr egal. Was diese Hungerleider von ihr hielten, ließ sie kalt, aber sie würde wahrhaftig dafür sorgen, daß Anders genauestens zu hören bekam, welche Meinung sie von ihm hatte.
    Trotz ihres Gekeifes gab er zu ihrem großen Erstaunen nicht nach. Zum ersten Mal blieb er fest und ließ sie schreien. Als sie eine Pause einlegen mußte, um Luft zu holen, sagte er nur in aller Ruhe, selbst wenn sie sich die Lunge aus dem Hals schrie, bliebe es dabei.
    Agnes fühlte, wie sie langsam hyperventilierte, und der Zorn sorgte dafür, daß ihr fast schwarz vor Augen wurde. Ihr Vater hatte immer nachgegeben, wenn sie nach Luft zu schnappen begann, aber Anders betrachtete sie nur schweigend und machte keine Bewegung, um sie zu trösten.
    Dann fühlte sie einen schmerzenden Hieb im Bauch und verstummte erschrocken. Sie wollte

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