Die Toechter der Kaelte
ihren Kopf unter Wasser preßten, bis keine Luftblasen mehr aufstiegen und alles vorbei war.
Etwas raschelte im Wald und brach die drückende Stille. Mit leiser Stimme sagte er zu Pedersen: »Faxt du uns das zu?«
»Ist schon erledigt. Und das Labor wird die Asche noch weiter analysieren, um zu sehen, ob man da etwas Nützliches findet. Aber sie wollten nicht erst das Ergebnis abwarten, sondern glaubten, es sei besser, wir erhielten diese Information sofort.«
»Ja, das war richtig. Wann, glaubst du, erfahren wir mehr darüber?«
»Mitte nächster Woche, denke ich«, sagte Pedersen und fügte leise hinzu: »Und wie steht’s bei euch? Kommt ihr voran?«
Es war ungewöhnlich, daß der Gerichtsmediziner Fragen nach der Ermittlung stellte, aber Patrik war nicht erstaunt. Saras Tod schien viele zu berühren, sogar die Ausgebufftesten. Er nahm sich eine Sekunde Bedenkzeit, bevor er antwortete.
»Nicht sonderlich, fürchte ich. Um ganz ehrlich zu sein, haben wir überhaupt nicht viel. Aber hoffentlich kann das hier zu was führen. Nicht, daß ich im Moment wüßte, wie, aber es ist erstaunlich genug, um die Ermittlung vielleicht voranzubringen.«
»Ja, wollen wir’s hoffen«, sagte Pedersen.
Patrik gab Ernst einen kurzen Bericht über das eben Erfahrene, und sie saßen beide eine Weile still da, während es in den Büschen draußen weiter raschelte. Patrik erwartete beinahe, einen Elchbullen auf sie zustürmen zu sehen, aber vermutlich waren es nur ein paar Vögel oder Eichhörnchen, die in dem herbstroten Blattwerk wühlten.
»Was glaubst du, wäre es nicht an der Zeit, sich Florins Badezimmer näher anzusehen?«
»Hätten wir das nicht schon längst tun sollen?« sagte Ernst.
»Vielleicht«, erwiderte Patrik abweisend, sich durchaus bewußt, daß Ernst mit dem Hinweis einen Punkt einheimste, »aber wir haben es nun mal nicht getan, und es ist ja wohl besser, man macht es spät als gar nicht.«
Ernst gab keine Antwort. Patrik zog das Handy aus der Tasche und führte die notwendigen Gespräche, um die Genehmigung einzuholen und die Spurensicherung aus Uddevalla anzufordern. Ernst Worte noch in den Ohren, drängte er zu größter Eile und erhielt das Versprechen, daß sie schon am Nachmittag erscheinen würden.
Mit einem Seufzer startete Patrik den Wagen und legte den Rückwärtsgang ein. In seinem Kopf kreisten die Gedanken um Asche. Und um Tod.
Fjällbacka 1924
Sie hafte ihr Leben. Sogar mehr, als sie für möglich gehalten hatte, damals, als sie in ihrem neuen Zuhause ankam. Nicht einmal in ihrer wildesten Phantasie hatte sie sich vorstellen können, wie arm und elend es hier werden würde. Und als wäre es nicht genug mit dieser schlimmen Umgebung, war auch noch ihr Körper aufgequollen und hatte sie unattraktiv und plump werden lassen. Sie schwitzte ständig in der Sommerhitze, und ihr früher so sorgsam frisiertes Haar hing in Strähnen herunter. Nun wünschte sie nur noch, daß dieses Wesen, das sie in ihre jetzige widerwärtige Gestalt verwandelt hatte, endlich herauskäme, zugleich abergraute ihr vor der Entbindung. Schon der Gedanke daran ließ sie fast ohnmächtig werden.
Mit Anders zu leben war auch eine Qual. Hätte er wenigstens ein bißchen Stolz gehabt! Statt dessen folgten ihr seine traurigen Hundeaugen überallhin und bettelten um ein wenig Aufmerksamkeit. Sie wußte, daß die anderen Frauen sie verachteten, weil sie nicht wie diese die Tage damit verbrachte, ihr dreckiges Zuhause zu schrubben und ihren undankbaren Mann zu bedienen. Aber wie konnten sie erwarten, daß sie es genauso machte? Sie war schließlich um vieles besser als sie, kam aus einer ganz anderen Klasse und hatte eine vornehme Erziehung genossen. Es war ungebührlich von Anders, von ihr zu fordern, sie solle auf allen vieren durchs Zimmer rutschen und den erbärmlichen Holzfußboden schrubben oder mit Essen in den Steinbruch rennen. Obendrein hatte er noch die Stirn, sich zu beschweren, wie sie mit der lächerlichen Geldsumme umging, die er nach Hause brachte. In dem Zustand, in dem sie war, sollte sie überhaupt nichts tun müssen, und hatte sie, wenn sie nun schon mal im Laden war, Appetit auf etwas Gutes, ja, dann sollte kein solches Spektakel erfolgen, nur weil sie sich etwas gönnte, statt das Geld in Butter oder Mehl zu stecken.
Agnes seufzte und legte ihre geschwollenen Beine auf den vor ihr stehenden Schemel. So manchen Abend hatte sie hier vor dem einzigen Fensterchen gesessen und davon geträumt, wie
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