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Die Toechter der Kaelte

Die Toechter der Kaelte

Titel: Die Toechter der Kaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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außerdem besteht da noch immer diese Schwierigkeit, mit Schulkameraden und anderen Gleichaltrigen sozial zu interagieren, was die Gruppenarbeit, die in der Oberstufe und im Gymnasium immer üblicher wird, erschwert oder völlig unmöglich macht. Häufig gibt es auch Depressionen, genau wie antisoziales Verhalten.«
    Hier spitzte Martin die Ohren. »Was verbirgt sich dahinter?«
    »So etwas wie Gewaltverbrechen, Einbrüche und Brandstiftungen.«
    »Personen mit dem Asperger-Syndrom haben also eine stärkere Neigung zu Gewaltverbrechen?«
    »Na ja, es ist nicht so, daß die Asperger-Betroffenen als Gruppe mehr zu Gewaltverbrechen neigen, aber natürlich gibt es eine Überrepräsentation. Wie ich schon sagte, haben sie eine starke Egofixierung und Schwierigkeiten, die Gefühle anderer Menschen zu verstehen und nachzuempfinden. Mangel an Empathie ist ein sehr charakteristischer Zug. Etwas vereinfacht könnte man sagen, daß gesunde Vernunft etwas ist, das einer solchen Person fehlt.«
    »Wenn eine …«, Martin zögerte, »… Person mit dem Asperger-Syndrom in einer Mordermittlung vorkommt, würde es dann Anlaß geben, sie näher unter die Lupe zu nehmen?«
    Eva dachte eine längere Zeit über ihre Erwiderung nach. »Das kann ich nicht beantworten. Wie ich schon erwähnt habe, gibt es natürlich bestimmte Charakteristika in der Diagnose, die besagen, daß die Barriere für das Begehen von Gewaltverbrechen niedriger ist, aber gleichzeitig ist es ein verschwindend kleiner Teil der Menschen mit Asperger, die zu solchen Extremen wie Mord greifen. Ja, ich lese die Zeitungen, also weiß ich, von welchem Fall du redest«, sagte sie und drehte nachdenklich die Kaffeetasse zwischen den Händen. »Nach meiner ganz persönlichen Meinung würde ich es deshalb für äußerst gefährlich halten, sich von dieser Spur vereinnahmen zu lassen, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Martin nickte. Er verstand genau, was sie meinte. Im Laufe der Zeit war es immer wieder vorgekommen, daß Menschen für etwas angeklagt wurden, das sie nicht begangen hatten, nur weil sie etwas anders waren. Aber Wissen war Macht, und er fühlte dennoch, daß es äußerst wichtig gewesen war, einen Einblick in Morgans Welt zu bekommen.
    »Ich möchte dir wirklich danken, daß du dir die Zeit für das Gespräch mit mir genommen hast. Ich hoffe, es waren keine lebenswichtigen Dinge, die du wegen mir versäumt hast.«
    »Nein, nein«, erwiderte Eva und stand auf, um ihn nach draußen zu begleiten. »Nur eine kleine notwendige Erneuerung der Garderobe. Mit anderen Worten, nichts, was nicht bis zur nächsten Woche warten kann.«
    Sie ging ihm voraus und wartete dann, bis er die Jacke angezogen hatte, die inzwischen etwas getrocknet war.
    »Scheißwetter, um nach draußen zu gehen«, sagte Eva. Sie blickten durchs Fenster auf den Regen, der noch immer vom Himmel pladderte und auf dem Markt große Pfützen bildete.
    »Ja, jetzt haben wir wirklich Herbst«, antwortete Martin und reichte ihr die Hand zum Abschied.
    »Übrigens, danke für das Mittagessen. Und ruf gern an, wenn noch weitere Fragen auftauchen. Es war richtig schön, seine Kenntnisse auf diesem Gebiet aufzufrischen. Es kommt nicht so oft vor, daß man darauf stößt.«
     
    Fjällbacka 1924
     
    Die Entbindung war weitaus schrecklicher gewesen, als sie sich je hätte vorstellen können. Fast zwei Tage lang dauerten die Qualen, und beinahe wäre sie selbst zu Tode gekommen, wenn der Doktor sich am Ende nicht mit seinem ganzen Gewicht auf ihren Bauch gelegt und das erste Kind in die Welt gezwungen hätte. Denn es waren zwei. Der andere Junge kam rasch hinterher, und man zeigte ihr die Kinder voller Stolz, nachdem man sie gewaschen und in warme Decken gewickelt hatte. Aber Agnes wandte sich nur ab. Sie wollte diese Wesen nicht sehen, die ihr Leben zerstört und sie obendrein fast umgebracht hatten. Wenn es nach ihr ging, konnte man sie verschenken, in den Fluß werfen oder sonst was mit ihnen tun. Ihre schrillen, dünnen Stimmen gellten ihr in den Ohren, und nachdem sie dieses Geräusch ein paar Minuten hatte hören müssen, hielt sie sich die Ohren zu und brüllte die Frau, die die Kinder hielt, an, sie solle sie wegbringen. Erschrocken gehorchte die Schwester, und sie konnte hören, wie man um sie herum zu flüstern begann. Aber das Kindergeschrei entfernte sich, und jetzt wollte sie nur noch schlafen. Hundert Jahre schlafen und dann durch den Kuß eines Prinzen geweckt werden, der sie aus diesem Elend und

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