Die Töchter der Lagune
Kurs wie die Verstärkung der Zyprioten. Der Kommandant der belagerten Stadt schickte ein stummes Stoßgebet zum Himmel, dass seine Landsleute das Rennen machen würden.
Es war unmöglich, die aufgepeitschte See von dem bleiernen Grau der drohenden Wolken zu unterscheiden, die den Horizont verdunkelten. Weiße Wellenkämme ritten kühn auf mannshohen Brechern, die beängstigende Gischtfontänen in die Luft schleuderten, sobald sie gegen die felsige Küste donnerten. Seemöwen torkelten wie trunken über den Himmel, und immer wenn ihre Schwingen von einer der heftigen Regenböen ergriffen wurden, trieben sie auf die tobende See zu. Der Regen peitschte Marcantonio ins Gesicht, als er versuchte, irgendetwas zu erkennen, das seine Sorgen mindern könnte. „Wenn die türkische Flotte nicht in einem Hafen Schutz gesucht hat, ist sie sicherlich gesunken. Es ist unmöglich, dass sie das heile überstehen“, bemerkte er zu den beiden Männern neben ihm, welche die Elemente mit einem ähnlich ängstlichen Ausdruck auf den wettergegerbten Gesichtern betrachteten. „Ja“, murmelte Massimo da Vicenzo, einer seiner erfahrensten Offiziere. „Aber unsere Leute auch nicht.“
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Das Mittelmeer, an Bord einer venezianischen Karavelle, Januar 1571
„Holt die Segel ein!“ Cassios Stimme war kaum dazu in der Lage, das Toben des Sturms zu übertönen. Um ihn herum rollten die anderen Karavellen in der wogenden See, während sein eigenes Schiff in ein Wellental stürzte. Cassio konnte das Salz auf seinen Lippen schmecken, als ein mächtiger Brecher ihm mit voller Wucht ins Gesicht schlug und ihn zurückwarf, bis er stolpernd mit einem der aufgeregten Seeleute zusammenstieß. „Steigt in die Wanten und durchtrennt die Taue!“, brüllte er. Sein Magen wurde zusammengepresst, als das große Schiff den wässrigen Hang erklomm, bis es schließlich den Kamm einer der riesigen Wellen erreichte, die sie wie die Kiefer einer rasenden Bestie umfingen. Einen Herzschlag lang konnte er die anderen venezianischen Kriegsschiffe ausmachen, die gleichermaßen von den Elementen bedrängt wurden. Das Hauptsegel der Karavelle direkt vor ihnen war vom Sturm zerfetzt worden und flatterte nun gefährlich um den Mast. Die Gewalt des Unwetters hatte sie zu unerwartet getroffen, um schnell genug reagieren zu können. Alles, was ihnen jetzt blieb, war, den Schaden zu begrenzen und zu beten, dass ihre Schiffe dem Angriff der aufgepeitschten See standhalten würden.
Die Männer, die inzwischen so durchnässt waren, dass sie nassen Ratten ähnelten, arbeiteten fieberhaft, um die Kanonen und Luken zu sichern. Mit vor Anstrengung zitternden Händen zogen sie vom Salzwasser störrische Taue durch die schlüpfrigen Eisenringe. Es war zu spät, um die Bullaugen zu vernageln. Sie würden den Rumpf später mit Eimern ausschöpfen müssen – vorausgesetzt sie überlebten diesen Albtraum. Über ihm war es den leichtfüßigen Seeleuten, die sich halsbrecherisch durch das Labyrinth von Seilen und Tauen hangelten, gelungen, das Hauptsegel zu kappen. Doch gerade, als er dachte, sie wären der Katastrophe entgangen, erfasste die schwere Segelleinwand einen der Männer und riss ihn hinab in einen brodelnden Strudel. Der Wind fetzte den gellenden Schrei von den Lippen des Stürzenden und zerstreute ihn im Heulen des Sturms. „Verdammt!“, fluchte Cassio leise. „Macht, dass ihr herunterkommt!“, brüllte er und unterstrich seine Worte mit einer unmissverständlichen Geste. Der Verlust des Seemannes war tragisch, aber wenn es ihnen nicht gelungen wäre, das schwere Segel loszuschneiden, hätte die Gewalt des Sturmes den Mast umgerissen und ihr Schiff hilflos und seeuntüchtig gemacht.
Ohne Hauptsegel tanzte das Schiff zwar immer noch wild auf den Wasserbergen. Doch anstatt wie vorher, die Wellen mit der Backbordseite beinahe zu berühren, ritt es das tobende Element nun trotzig und aufrecht. Da er inzwischen die übrigen venezianischen Karavellen, die mit dem Unwetter kämpften, aus den Augen verloren hatte, fragte Cassio sich, ob sie es schaffen würden, die Sicherheit der zypriotischen Küste zu erreichen. Als er sich in Richtung Bug vorwärtskämpfte, wurde seine Aufmerksamkeit von etwas auf sich gezogen, das er aus dem Augenwinkel wahrnahm. Um einen genaueren Blick darauf werfen zu können, wandte er sich um. Und vor Entsetzen blieb ihm der Mund offen stehen. Als sein Schiff erneut aus einem Wellental auftauchte, erkannte er, dass
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