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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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sich eine Armada feindlicher Kriegsschiffe in atemberaubendem Tempo vom Horizont her näherte. Obschon sie in dem Sturm herumgeworfen wurde wie ein Ball in den Händen eines ausgelassenen Knaben, war die osmanische Flotte noch voll betakelt – beinahe so, als wüssten ihre Kapitäne nicht um die Gefahren, welche dies nach sich ziehen konnte. Auf der anderen Seite jedoch ließen die vollen Segel sie pfeilschnell zu Cassios Landsleuten aufschließen. Und wenn sie die Meilen weiterhin in dieser Geschwindigkeit fraßen, würden die Venezianer eine Seeschlacht nicht vermeiden können.

Kapitel 16
     
Das Mittelmeer, an Bord einer venezianischen Karavelle, Januar 1571
     
    Ein blendender Blitz war in eine der osmanischen Karavellen gefahren, die nun ein bizarr loderndes Schauspiel mitten in der Wasserwüste bot. Der Sturm hatte noch an Stärke zugenommen, und auf mehreren der türkischen Schiffe wurde nun fieberhaft gekämpft, um die tückischen Segel einzuholen. Fataler Fehler!, dachte Cassio schadenfroh. Nichts war gefährlicher, als der Versuchung zu erliegen, einen starken Wind zu seinem Vorteil zu nutzen. Wenn die Entscheidung des Kapitäns, die Taue zu kappen, zu spät kam, waren die Schiffe dem Untergang geweiht. Einen Augenblick lang vergaß er die eigene prekäre Lage und sog den Anblick des hilflosen Kampfes ein, als die türkischen Seeleute versuchten, das Unglück abzuwenden.
     
    Immer heftiger von einer sich kräuselnden Wasserfaust in die andere geschleudert, kämpften die osmanischen Kriegsschiffe darum, nicht mit der brennenden Karavelle zusammenzustoßen. Der Sturm trug Angstschreie zu den Venezianern, als die Türken – die inzwischen so nahe herangekommen waren, dass Cassio das auf die weißen Segel gestickte Wappen erkennen konnte – gegen die gnadenlosen Elemente ankämpften. Während er mit entsetzter Faszination die brennende Karavelle beobachtete, wurde ihm die Sicht plötzlich durch einen Brecher versperrt, der eine halbe Schiffslänge hoch über ihnen aufragte. Ehe die Flotte erneut sichtbar wurde, erschütterte eine Reihe von ohrenbetäubenden Explosionen die Luft. Als die Wellen das ganze Ausmaß der Zerstörung enthüllten, jubilierte Cassio innerlich. Das musste ein Zeichen Gottes sein! Die Druckwelle des explodierenden Kriegsschiffes sowie riesige, tödliche Holzsplitter hatten die Eingeweide der anderen Schiffe aufgerissen, die in dem steilen Wassergrab gefangen waren. Der Rest der Flotte war von der bloßen Wassermenge, die auf sie einstürzte, in die Tiefe gerissen worden. Der Anblick war traurig. Und wären es nicht Ungläubige gewesen, die so den Tod fanden, hätte Cassio ihre armen Seelen bedauert. Verzweifelt – da hoffnungslos verloren – klammerten sich die Schiffbrüchigen an die zerfetzten Planken, die alles waren, was von der einst so stolzen Flotte übrig geblieben war.
     
    Ein aufgeregter Ruf eines seiner Männer ließ seine Aufmerksamkeit zu den Dingen zurückkehren, die vor ihnen lagen. Das Unwetter hatte sie in eine Strömung gezwungen, die ihr Schiff gefährlich nah an die scharfen Zähne einer schwarzen Felsformation herantrieb. „Steuerbord!“, schrie er, während er zum Ruder eilte und dem Steuermann das triefende Rad aus der Hand riss. Die Karavelle machte einen Satz nach rechts und verfehlte nur knapp den zerklüfteten Felsen, der die Seite des Schiffes mit der Leichtigkeit eines Messers, das durch Butter schnitt, aufgeschlitzt hätte. Während er das buckelnde Steuerrad, das wie ein störrisches Maultier gegen seinen Griff ankämpfte, mit beiden Händen umklammerte, gelang es Cassio, das Schiff zurück in die sicheren Gefilde der tieferen See zu steuern. Es fühlte sich immer noch an, als ritte er einen ungezähmten Hengst, doch die Wut des Sturmes legte sich langsam zu einem verdrießlichen Grollen. Die blendend weißen Blitze, welche die Dunkelheit erhellten, hatten den Kurs gewechselt und zogen nun gen Westen. Sie hatten es geschafft! „Hier, du kannst wieder übernehmen!“ Nachdem er dem schreckensbleichen Seemann das Ruder in die Hand gedrückt hatte, wischte sich Cassio die Stirn, auf der sich das Meerwasser mit seinem kalten Schweiß vermischt hatte.
     
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Konstantinopel, Topkapi Palast, Januar 1571
     
    Sie hätten bereits vor Tagen eintreffen sollen, dachte Selim voller Ungeduld. War dem Schiff am Ende etwas zugestoßen? Der Ausblick, den die Arkadenfenster in seinem bevorzugten Gemach an diesem Tag boten, war trübe und deprimierend. Der

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