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Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Brantenberg
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Rektorin Uglemose war danach vierzehn Tage lang so wütend, daß die Schüler schon bei ihrem Anblick bebten. Damals, als er trotz allem immer noch hoffte, daß eine Frau ihn haben wollte, hatte er seine Stärke stets zu verbergen gesucht. Er hatte sich den wenigen Frauen gegenüber, die mit ihm schlafen wollten, schlaff und willig gegeben. Und hinterher tauchten die wildesten Gerüchte auf, was für ein Mordsding er habe. Einmal hatte er eine Frau sagen hören, es sei im erigierten Zustand einen halben Meter lang und zehn Zentimeter dick. Dabei hatte er nicht einmal mit ihr geschlafen. Gab es irgendwo Schlägereien, hatte er sich nie eingemischt, auch wenn ihm das Herz weh tat, daß Leute so gemein zueinander sein konnten. Sollten schwere Gegenstände von der Stelle gerückt werden, bot er nie seine Hilfe an, obwohl er im Innersten die Hilfsbereitschaft in Person war. Und in Gymnastik bekam er die schlechtesten Noten, denn er bewegte sich so, als seien ihm seine Muskeln im Wege.
    Doch sosehr er sich auch bemühte, seine Körperkräfte zu verbergen, es half nichts. Er war einer dieser Mordskerle, den keine im Haus haben wollte.
    „Bist du denn wirklich so stark?“ fragte Ba.
    „Ich könnte, wenn ich wollte, das Katheder hier mit der bloßen Faust zertrümmern.“ Herrlein Uglemose war über seine eigenen Worte erschrocken. Die Klasse kicherte. Die Vorstellung, das Herrlein könnte das Katheder zerschlagen, schien doch allzu komisch.
    „Ich hatte aber immer das Gefühl, daß meine großen, starken Männerhände geradezu wie geschaffen dafür sind, ein kleines Kind zu halten und es vor allem Bösen zu bewahren.“
    Die Klasse kicherte noch lauter. Irgend etwas war zwischen ihnen schiefgelaufen. Sie schämten sich, weil er ihnen so ohne weiteres sein Unglück anvertraut hatte. Sie schämten sich und verspürten gleichzeitig Ekel, wenn sie sich Herrlein Uglemoses großen, kräftigen Körper vorzustellen versuchten. Und weil sie sich schämten und wußten, daß er ihnen die Wahrheit erzählte, wurde er für sie in gewisser Weise eine Wibsche. Er war für sie nicht mehr nur ein sich theatralisch gebärdendes Kathedertier, sondern eine Wibsche mit Gefühlen und einem Schicksal. Jetzt glucksten sie verlegen und wußten nicht, was sie sagen sollten.
    Herrlein Uglemose merkte, daß er nicht mehr Dame der Situation war. Er bereute seine Worte. Jetzt war alles wieder wie zuvor. In der Klasse frauschte die gleiche Unaufmerksamkeit. Es spielten sich Dinge zwischen ihnen ab, über die er keine Kontrolle hatte. Aber Herrlein Uglemose fühlte sich nicht nur als Lehrer. Er stand auch außerhalb der Gemeinschaft im Lehrerzimmer. Die Kolleginnen betrachteten ihn mit den gleichen Augen wie die Schüler, das wußte er. Sie kicherten nur nicht. So fühlte er sich eher mit den Schülern solidarisch. Denn sie waren gezwungen, dort vor ihm auf ihren Bänken zu sitzen. Sie waren jung und ohne ihr Verschulden einfältig. Sie konnten noch lernen, oder wenigstens einige von ihnen. Vielleicht gab es irgendwo in der Klasse eine einzige Seele, die ahnte, wovon er sprach, und genauso fühlte. Nur eine wäre schon genug. Das würde sich schon einmal auszahlen. Deshalb hatte er nie ganz aufgegeben.
    Sie saßen da, brabbelten miteinander, flüsterten verstohlen und kicherten. Plötzlich schien es ihm, als verstehe er eines der Worte. Ein Zischlaut — dreisilbig. Ein dreisilbiges Wort, das mit einem Zischlaut begann. Hatte er richtig gehört? „Sag du es“, hörte er eine flüstern. „Nein, du.“ Sie lachten ein bißchen verhalten. „Kannst du es nicht sagen?“ Vielleicht waren sie doch interessiert und wollten mehr wissen. Er würde ihnen alles, was er wußte, erzählen, auch von sich selbst. Wenn er nur Kontakt mit ihnen bekommen konnte. Ein Lehrer sollte offen zu seinen Schülern sein. Daran hatte er sich immer gehalten.
    „Na, habt ihr noch was?“ fragte er prüfend.
    „Ja“, sagte Ann Plattenberg laut und deutlich. „Der Lümmel da mit den Sommersprossen, der aussieht wie ein wandelndes Waschbrett, der Syyyyprian — ist der dein Sohn?“
    „Er gleicht dir aufs I-Tüpfelchen“, kam es von der anderen Seite des Klassenzimmers.
    „Ja, wie das Zipfelchen“, drang es an sein Ohr, nur ein bißchen leiser. Ein gewaltiger Krach ließ die Schüler der Klasse 5 b erzittern. Herrlein Uglemose hatte aus dem Katheder mit einem einzigen Faustschlag Brennholz gemacht.

Petronius wird im Herbst 16 Lenze

    „Er hat das Katheder mit einem

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