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Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Brantenberg
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in den Körper der Frau zu spritzen.“
    Herrlein Uglemose blickte sie ernst an. Einige kicherten, andere sagten: „Pst!“
    „Unendliche Mengen“, wiederholte er. „Die Samenzellen sind nämlich so unwahrscheinlich klein, daß, wenn auch nur eine einzige ihr Ziel erreichen soll, viele benötigt werden. Die Samenzelle ist so klein, daß sechzigtausend Stück auf einen Quadratmillimeter gehen. Die Eizelle hat die Größe eines Punktes. Wenn sich das Ei für den Schöpfungsprozeß entschieden hat, machen sich zweihundert Millionen Samenzellen zu ihm auf den Weg.“
    Das Herrlein schrieb ,200 Mill.’ an die Spitze des Dreiecks und fuhr fort: „Sie sehen wie kleine Würmer mit Köpfen aus. Hier ist ein Exemplar in dreißigmillionenfacher Vergrößerung.“
    Er zeichnete eine schwimmende Eizelle mit einem schwarzen Kopf und schaute sie vergnügt an.
    „Wie ihr sehen könnt, hat sie auch mit einer Kaulquappe Ähnlichkeit. Also zweihundert Millionen dieser kaulquappenähnlichen Gebilde schlängeln los und schlagen sich um ein Ei. Jede Samenzelle muß eine harte Konkurrenz bestehen, um in ein Ei zu gelangen, genau wie bei uns, wo Männer um eine Frau streiten. Die Eizelle liegt gelassen da und sieht dem Kampf der Millionen mit erhabener Ruhe zu. Schließlich trifft der Kopf einer Samenzelle auf das Ei, wobei die Samenzellen sich kaum einen Begriff davon machen dürften, was sie sich da vornehmen. Wie einige Tiere, zum Beispiel der Strauß, glauben sie, wenn sie nur den Kopf dabeihaben, haben sie auch das Ganze dabei. Das Ei trennt aber sofort den Rest der Samenzelle ab, so daß der Schwanz draußen bleibt. Denn sobald diese eine Samenzelle Schutz beim Ei gefunden hat, bildet das Ei ein Häutchen um sich herum, um zu verhindern, daß noch irgendeine der einhundertneunundneunzigmillionenneunhundertneunundneunzigtausendneunhundertneunundneunzig Samenzellen eindringen und den Schöpfungsprozeß stören kann.“
    Der kleine, mollige Fandango meldete sich.
    „Bitte, Fandango.“
    „Was wird denn aus all denen, die nicht reinkommen?“
    „Tja, die sind jetzt überflüssig und sterben. Die Samenzelle, die hineingekommen ist, die Siegerin also, verliert ihre Identität, das heißt, sie ist nicht mehr sie selbst. Sie hat ihren Schwanz verloren, und ohne Schwanz hat sie keine selbständige Existenzmöglichkeit, sondern wird vom Ei ernährt und beschützt, in genau derselben Weise, wie der reife Mann bei einer Frau das Vaterschaftspatronat findet. Als Ersatz dafür darf die Samenzelle leben. Es gibt eine schöne Analogie. Eine Analogie bedeutet, etwas ist etwas anderem ähnlich. Der Mann sucht ein Heim. In seinem Streben danach muß er mit Hunderten von anderen Männern konkurrieren. Findet er ein Heim, dann sorgt die Frau dafür, daß er dort bleibt; sie gibt ihm Nahrung und schützt ihn gegen alles Böse.“
    Ann meldete sich und redete los, ehe das Herrlein „Bitte, Ann“ sagen konnte.
    „Und was wird aus denen, die kein Heim finden?“ Die Klasse kicherte, aber Ba schlug auf den Tisch als Zeichen dafür, daß sie mehr hören wollte, und die Klasse beruhigte sich ganz schnell wieder. Herrlein Uglemose überhörte diese Frage.
    „So können wir sagen, die Natur hat es so eingerichtet, daß der Platz des Mannes im Hause ist. Es ist...“
    „Aber du hast doch gesagt, wir können die Zivilisation nicht mit der Natur erklären“, unterbrach ihn Ba.
    „Ja. Hier müssen wir besonders vorsichtig sein. Auch wenn heute so viele Männer dagegen protestieren, ändert das nichts an der Tatsache, daß die Frauen die Lebensspenderinnen und Beschützerinnen sind und der Mann ohne sie zugrunde gehen müßte, während sie überleben könnten. Die Samenzellen verfügen nicht über die Fähigkeit, sich Nahrung zu verschaffen. Die Natur wird das nie ändern können, ein Kind kann nicht in den Geschlechtsorganen des Mannes entstehen. Ich wage es kaum, mir auszumalen, was wäre, wenn sich ein Fötus im Schambeutel entwickeln würde. Er ist viel zu klein und zu empfindlich, um auch nur die geringste Form von Leben hervorbringen zu können. Der Fötus würde ihn gänzlich sprengen.“
    Herrlein Uglemose fühlte sich jetzt auf sicherem Boden. Eins war ihm klar: Er führte seinen Unterricht entsprechend der letzten Direktive und dem Rundschreiben Nr. 287 durch. Vor seinem geistigen Auge war das Schreckensbild von Direktorin Barmeruds Doppelkinn fast vollständig verblaßt, als er fortfuhr: „Daß die Geschöpfe des männlichen Geschlechts

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