Die tödliche Bedrohung
er oben angefangen und sich nach unten durchgefragt. Inzwischen war er ziemlich frustriert und mit beginnenden Kopfschmerzen im dritten Stock angelangt.
Nachdem er an die Tür von Apartment 302 geklopft hatte, spürte er, dass er durch den Spion beobachtet wurde. Gleich darauf klapperte die Sicherheitskette, dann wurde der Riegel zurückgeschoben. Einen Moment später sah er sich einer älteren Frau mit einem wilden, grellorange gefärbten Haarmopp gegenüber. Als sie ihre glitzernden blauen Augen zusammenkniff, um ihn zu mustern, bildeten sich in ihren Augenwinkeln unzählige kleine Fältchen. Ihr „Denver Broncos“-Sweatshirt hatte den Umfang eines Zelts, das Colts Schätzung nach etwa zweihundert Pfund Körpermasse bedeckte. Sie hatte ein Doppelkinn und arbeitete an einem Dritten.
„Sie sehen zu gut aus, um mir etwas andrehen zu wollen, was ich nicht brauche.“
„Richtig, Ma’am.“ Wenn Colt einen Hut aufgehabt hätte, hätte er jetzt an die Hutkrempe getippt. „Ich verkaufe nichts. Die Polizei führt hier eine Ermittlung durch, und ich würde Ihnen gern ein paar Fragen zu einem Ihrer Mitbewohner stellen.“
„Sie sind von der Polizei? Dann müssten Sie einen Ausweis haben.“
Offenbar war sie wesentlich heller als Nieman. „Nein, Ma’am. Ich bin nicht von der Polizei. Ich führe eigene Ermittlungen durch.“
„Ah, ein Privatdetektiv!“ Die blauen Augen leuchteten auf wie Glühbirnen. „Wie Sam Spade? Ich schwöre, dass dieser Humphrey Bogart der aufregendste Mann der Welt war. Ich an Mary Astors Stelle hätte wegen so eines stummen Vogels ganz bestimmt nicht zweimal überlegt, wenn ich ihn hätte haben können.“
„Nein, Ma’am.“ Colt brauchte einen Moment, bis ihm dämmerte, dass sie von dem Film Der Malteser Falke sprach. „Obwohl, am liebsten hätte ich ja mit Laureen Bacall getauscht. Die haben in Der lange Abschied die Puppen vielleicht zum Tanzen gebracht!“
Sie lachte auf. „Ja, wirklich. Na schön, kommen Sie rein. Macht doch keinen Sinn, im Hausflur rumzustehen.“
Colt trat ein und musste sofort um Möbelstücke und Katzen herumgehen. Die Wohnung war so vollgestopft, dass sie aus allen Nähten platzte. Über den großen Wohnraum waren in wildem Durcheinander Tische, Stühle und Lampen verteilt, manche Stücke davon waren richtig wertvolle Antiquitäten, während man andere wahrscheinlich nicht mal auf einem billigen Trödelmarkt losgeworden wäre. Und inmitten des ganzen Durcheinanders hatte sich in seliger Selbstvergessenheit ein halbes Dutzend Katzen jeglicher Couleur breit gemacht.
„Ich sammle“, berichtete sie ihm, dann ließ sie sich auf ein Louis-quinze-Zweiersofa plumpsen. Ihr Körperumfang nahm drei Viertel der Fläche ein, sodass Colt weise beschloss, mit einem schäbigen Lehnstuhl vorlieb zu nehmen, auf dessen verblasstem Stoff sich Kolonialsoldaten und Rotkittel eine Schlacht lieferten. „Ich bin Esther Mavis.“
„Colt Nightshade.“ Colt nahm es gelassen, als sich eine schlanke graue Katze auf seinem Schoß einrollte und eine andere auf die Rückenlehne des Lehnstuhls sprang, um seine Haare zu beschnuppern.
„So, und was untersuchen wir denn, Mr Nightshade?“
„Wir stellen Ermittlungen über den Mieter an, der zuletzt oben im Penthouse gewohnt hat.“
„Der kürzlich ausgezogen ist?“ Sie kratzte sich nachdenklich ihr Doppelkinn. „Gestern hab ich zufällig gesehen, wie ein paar riesige Kerle noch Sachen in einen Van einluden.“
Wie verschiedene andere Leute auch, dachte Colt. Bloß dass niemand darauf geachtet hatte, ob auf dem Van der Name einer Umzugsfirma gestanden hatte.
„Ist Ihnen zufällig aufgefallen, was für eine Automarke der Van war, Mrs Mavis?“
„Miss“, stellte sie richtig. „Es war ein großer“, erklärte sie. „Und sie kamen mir irgendwie nicht wie ganz normale Möbelpacker vor.“
„Ach ja?“
„Sie waren schnell. Nicht wie Leute, die pro Stunde bezahlt werden, na ja, Sie wissen schon, die haben’s ja meistens nicht so eilig. Aber da waren ein paar schöne Stücke dabei.“ Ihre glitzernden Augen schweiften durch ihr Wohnzimmer. „Ich liebe Möbel. Da war dieser Belker Tisch, ganz traumhaft, wirklich. Den hätte ich gern gehabt. Obwohl ich wirklich nicht wüsste, wo ich ihn hinstellen sollte, aber irgendwie findet sich am Ende doch immer noch ein Plätzchen.“
„Können Sie irgendeinen von diesen Möbelpackern näher beschreiben?“
„Ich achte normalerweise nicht auf Männer, wissen Sie, außer,
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