Die tödliche Bedrohung
Gott schon genug Ärger. Ich war kaum aus dem Bett, da hämmerte schon jemand von Ihren Leuten an meine Tür. Und jetzt klingelt ununterbrochen das Telefon, weil die Mieter wissen wollen, was hier los ist und warum die Polizei das Penthouse versiegelt hat. Ich werde Wochen brauchen, um die Leute zu beruhigen.“
„Sie haben wirklich einen harten Job, Mr Nieman.“ Colt schaute sich beim Eintreten unauffällig um. Die Wohnung war nicht so feudal und auch nicht so groß wie das leere Penthouse, aber wenn man nicht allzu hohe Ansprüche hatte, war sie durchaus ausreichend. Nieman hatte sie mit Rokokostilmöbeln eingerichtet. Colt wusste, dass seine Mutter ihre helle Freude daran gehabt hätte.
„Sie können sich das nicht vorstellen.“ Resigniert deutete Nieman auf einen mit kunstvollen Holzschnitzereien verzierten Sessel. „Mieter sind wie Kinder. Sie brauchen immer einen, der sie an der Hand nimmt und ihnen auf die Finger klopft, wenn sie sich nicht anständig benehmen. Ich bin jetzt seit zehn Jahren als Hausverwalter tätig, davon drei hier in diesem Gebäude, und Sie würden es nicht glauben, was ich Ihnen für Geschichten erzählen könnte …“
Weil Colt befürchtete, dass Nieman gleich genau das tun würde, fiel er ihm ins Wort, indem er ihn aufforderte: „Erzählen Sie mir doch mal ein bisschen was von den Mietern im Penthouse.“
„Da gibt es nicht viel zu erzählen.“ Um seine Bügelfalten zu schonen, zog Nieman die Hosenbeine hoch, bevor er sich setzte. Er schlug die Beine an den Knöcheln übereinander, wobei seine gemusterten Acrylsocken freigelegt wurden. „Wie bereits gesagt, habe ich sie nie persönlich kennengelernt. Sie haben nur vier Monate da oben gewohnt.“
„Aber zeigen Sie denn den Mietern nicht vorher die Wohnung, Mr Nieman?“
„Normalerweise schon. Aber in diesem Fall verzichtete der Mieter auf einen Besichtigungstermin. Er schickte mir Referenzen und einen Scheck über die Miete per Post.“
„Vermieten Sie auf diesem Weg öfter eine Wohnung?“
„Na ja … normalerweise nicht …“ Nachdem er sich geräuspert hatte, fummelte Nieman an seinem Krawattenknoten herum. „Nach dem Brief kam ein Anruf. Mr Davis – der Mieter – erklärte, dass er ein Freund von Mr und Mrs Ellison sei. Die beiden hatten vorher drei Jahre lang oben im Penthouse gewohnt. Ein reizendes Paar, sehr elegante Leute. Sie sind nach Boston umgezogen. Und da er mit ihnen befreundet war, brauchte er die Wohnung nicht zu sehen. Er behauptete, schon mehrmals zu Dinnerpartys und anderen Gelegenheiten im Penthouse gewesen zu sein. Es war ihm sehr wichtig, die Wohnung zu bekommen, verstehen Sie, und da er nur die besten Referenzen hatte …“
„Sie haben sie überprüft?“
„Selbstverständlich.“ Nieman straffte die Schultern. „Ich nehme meine Pflichten sehr ernst.“
„Was hat Davis beruflich gemacht?“
„Er hat als Ingenieur bei einer hiesigen Firma gearbeitet. Ich habe mich dort nach ihm erkundigt und nur das Allerbeste über ihn gehört.“
„Was ist das für eine Firma?“
„Ich habe die Unterlagen noch hier.“ Nieman beugte sich über den Couchtisch und griff nach einem Schnellhefter. „Foxx Engineering“, begann er, dann las er Adresse und Telefonnummer vor. „Natürlich habe ich mich auch bei seinem Vermieter erkundigt. Wir Hausverwalter haben einen Moralkodex. Mir wurde versichert, dass Mr Davis ein idealer Mieter ist, ruhig, verantwortungsvoll, sauber, und dass er seine Miete immer pünktlich bezahlt. Und das war auch der Fall.“
„Aber gesehen haben Sie Mr Davis nie?“
„Das ist ein großes Haus. Es gibt hier immer wieder Mieter, die ich nie sehe. Nur diejenigen, die Scherereien machen, sieht man öfter, und Mr Davis hat nie welche gemacht.“
Nie irgendwelche Scherereien, dachte Colt grimmig. Er hatte sich von Nieman Kopien des Mietvertrags, der Referenzen und Davis’ Brief geben lassen. Es war mittlerweile nach zwölf, und er hatte fast alle Mieter befragt, die auf sein Klopfen hin geöffnet hatten. Nur drei gaben an, den geheimnisvollen Mr Davis je gesehen zu haben. Und nun musste Colt seinen Unterlagen drei Personenbeschreibungen hinzufügen, die sich deutlich voneinander unterschieden.
Das Polizeisiegel an der Tür des Penthouses hatte ihn am Betreten der Wohnung gehindert. Er hätte das Band durchschneiden und das Schloss aufbrechen können, aber er hatte daran gezweifelt, dass es die Mühe – und den Ärger – wert gewesen wäre.
Und so hatte
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