Die tödliche Bedrohung
und zog einen dunkelblauen Blazer von ihrer Stuhllehne. Dazu trug sie eine passende Bügelfaltenhose und eine Seidenbluse in einem helleren Blau. Ihr Schulterholster und die Waffe wirkten an ihr so selbstverständlich, dass sie genauso gut ein modisches Accessoire hätten sein können.
„Du rufst mich an.“
„Das sagte ich bereits.“
Weil ihm danach zumute war, legte er seine Hände auf ihre Schultern und lehnte kurz seine Stirn gegen ihre. „Marleen hat mich heute früh angerufen. Der Gedanke, dass ich ihr falsche Hoffnungen gemacht haben könnte, gefällt mir gar nicht, aber ich habe ihr trotzdem erzählt, dass wir schon ein ganzes Stück weitergekommen sind. Ich musste es sagen.“
„Wenn sie sich dabei nur minimal besser fühlt, hast du das Richtige getan.“ Sie konnte einfach nicht widerstehen. Um ihn zu trösten, legte sie ihm kurz eine Hand an die Wange, dann ließ sie sie wieder sinken. „Kopf hoch, Nightshade. Wir haben in kurzer Zeit schon eine ganze Menge Informationen gesammelt.“
„Ja.“ Er hob den Kopf und ließ seine Hände an ihren Armen nach unten gleiten, bis er seine Finger mit ihren verschränken konnte. „Jetzt lasse ich dich mit deinem formidablen Iren gehen. Aber noch eins.“ Er schaute auf ihre ineinander verschlungen Finger, sah, wie verschieden sie in Form, der Hautbeschaffenheit, der Farbe und der Größe waren. „Früher oder später werden wir diese Sache hier hinter uns haben.“ Sein Blick suchte ihren. „Und dann werden wir uns um andere Dinge kümmern.“
„Kann schon sein. Aber was am Ende dabei herauskommt, wird dir möglicherweise nicht gefallen.“
Er fing ihr Kinn mit einer Hand ein und gab ihr einen harten Kuss auf den Mund, dann ließ er sie ganz schnell los, bevor er es nicht mehr konnte. „Das Gleiche gilt für dich. Sieh dich gut vor, Lieutenant.“
„Ich bin schon vorsichtig auf die Welt gekommen, Nightshade.“ Damit verließ sie, im Gehen in ihre Jacke schlüpfend, den Raum.
Zehn Stunden später stellte sie ihr Auto in der Tiefgarage ihres Wohnhauses ab und ging zum Aufzug. Jetzt freute sie sich auf eine schöne heiße Badewanne, ein Glas kalten Wein und einen langsamen Blues mit tiefen Bässen.
Während der Aufzug nach oben glitt, lehnte sie sich gegen die Wand und schloss die Augen. Bei dem Barkeeper hatten sie nicht viel erreicht. Das Wedeln mit ein paar Geldscheinen hatte nicht verfangen und versteckte Drohungen auch nicht. Althea zweifelte nicht daran, dass er etwas mit dem Pornoring zu tun hatte, genauso wenig wie sie bezweifelte, dass er fürchtete, ihm könnte dasselbe Schicksal blühen wie Wild Bill.
Deshalb brauchte sie mehr als nur eine Drohung. Sie musste etwas über Leo Dorsetti herausfinden, das es ihr erlaubte, ihn zum Verhör mit aufs Revier zu nehmen.
Und wenn sie ihn erst einmal dort hatte, würde sie ihn schon zum Reden bringen, dessen war sie sich sicher.
Als sie aus dem Aufzug auf den Flur trat, kramte sie in ihrer Handtasche nach ihren Wohnungsschlüsseln. Jetzt wurde es Zeit, wenigstens für ein, zwei Stunden zu vergessen, dass sie Polizistin war. Wenn man von einem Fall allzu besessen war, fing man unweigerlich irgendwann an, Fehler zu machen. Deshalb würde sie die Sache fürs Erste in den hintersten Winkel ihres Kopfes verbannen, damit sich alles, was damit zusammenhing, ein bisschen setzen konnte, und sich einfach nur einen schönen gemütlichen Abend machen, bei dem sie nur an sich denken würde.
Ihre Wohnungstür war bereits offen, als in ihrem Kopf eine Glocke schrillte. Sie fragte sich nicht, was den Alarm ausgelöst hatte, sondern zog einfach nur blitzschnell ihre Waffe. Mechanisch spulte sie die vertraute Routine ab, indem sie in alle Ecken und hinter die Tür schaute.
Ihre Augen suchten den Raum ab, registrierten, dass alles an seinem Platz war, wenn man mal von der Bessie-Smith-Platte absah, die sich auf dem Plattenteller drehte. Und von dem Duft, der in der Luft hing. Sie schnupperte und roch Essen, irgendetwas Scharfes. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen, obwohl ihr Verstand auf der Hut blieb.
Ein Geräusch aus der Küche veranlasste sie herumzuwirbeln, die weit auseinander gestellten Füße fest in den Boden gestemmt, die Waffe in beiden Händen haltend.
Colt blieb, sich die Hände an einem Geschirrtuch abwischend, auf der Schwelle stehen. Er lehnte sich lächelnd gegen den Türstock und fragte: „Hi Darling, wie war dein Tag?“
6. KAPITEL
Althea nahm ihre Waffe herunter. Sie erhob ihre Stimme
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