Die tödliche Bedrohung
gut, wie es ist, wenn man sich nichts mehr wünscht als rauszukommen, wenn man es sich so sehr wünscht, dass man sogar wegläuft, obwohl man nicht weiß, wohin man gehen soll. Und ich weiß auch, wie es ist, wenn man wieder zurückgebracht wird und erneut den Bedingungen ausgesetzt ist, vor denen man davongelaufen ist. Ich verstehe das alles sehr gut. Und ich weiß auch, dass Liz eine Familie hat, die sie liebt, und wir werden sie zurückbringen. Wir werden sie zu ihrer Familie zurückbringen, damit sie nicht in diesem Teufelskreis gefangen ist. Also erzähl mir nicht, dass sie einfach nur ein Fall für mich ist, weil sie mir nämlich wichtig ist. Sie sind mir alle wichtig.“
Sie unterbrach sich, fuhr sich mit einer zitternden Hand durchs Haar. Im Augenblick war sie sich nicht sicher, was überwog, ihre Beschämung oder ihr Zorn. „Ich möchte dich jetzt bitten zu gehen“, sagte sie leise. „Ich möchte wirklich, dass du jetzt gehst.“
„Setz dich.“
Als sie nicht reagierte, ging er zu ihr und drückte sie auf einen Stuhl. Sie zitterte, und die Tatsache, dass er dazu seinen Teil beigetragen hatte, bewirkte, dass er sich fühlte, als ob er etwas sehr Wertvolles und Zerbrechliches kaputt gemacht hätte. „Es tut mir leid. Dass ich mich jetzt schon zum zweiten Mal an einem Tag bei ein und derselben Person entschuldige, ist ein absoluter Rekord für mich.“ Er hob die Hand, um ihr übers Haar zu streichen, aber dann hielt er sich zurück. „Willst du ein Glas Wasser?“
„Nein, ich will, dass du gehst.“
„Das kann ich nicht.“ Er setzte sich auf den Schemel zu ihren Füßen, sodass sie auf gleicher Augenhöhe waren. „Althea …“
Sie lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück. Sie fühlte sich, als ob sie auf den Gipfel eines Berges gerannt und in die Tiefe gesprungen wäre. „Nightshade, ich bin nicht in der Stimmung, dir meine Lebensgeschichte zu erzählen, falls es das ist, worauf du wartest. Du weißt, wo die Tür ist.“
„Das hat Zeit.“ Er fasste sich ein Herz und griff nach ihrer Hand, die jetzt ruhig war, aber kalt. „Versuchen wir es mal anders. Wir haben hier zwei getrennte Probleme. Liz zu finden ist Problem Nummer eins. Sie ist unschuldig, ein Opfer, und sie braucht Hilfe. Ich könnte versuchen, sie allein zu finden, aber das würde zu lange dauern. Jeder Tag, der vergeht … na ja, es sind einfach schon zu viele Tage vergangen. Ich will mit dir zusammenarbeiten, weil dir Kanäle zur Verfügung stehen, die ich mir erst erschließen müsste, und dann würde ich doppelt so lange brauchen. Und weil ich darauf vertraue, dass du alles in deiner Macht Stehende tun wirst, um sie wieder nach Hause zu bringen.“
„In Ordnung.“ Sie ließ ihre Augen zu, in der Hoffnung, so ihre Anspannung abzuschütteln. „Wir werden sie finden. Wenn nicht morgen, dann vielleicht übermorgen, aber finden werden wir sie.“
„Zweites Problem.“ Er schaute auf ihre Hände und beobachtete, wie der Sekundenzeiger ihrer Armbanduhr die Sekunden abhakte. „Ich glaube … na ja … weil das für mich unbekanntes Terrain ist, möchte ich es einschränken, indem ich sage, dass es mir zumindest im Moment so vorkommt …“
„Nightshade.“ Als sie die Augen wieder öffnete, entdeckte er darin den Anflug eines Lächelns. „Ich schwöre, dass du wie ein Jurist klingst.“
Er zuckte zusammen, rutschte auf dem Schemel herum. „Ich glaube nicht, dass du einen Mann beleidigen solltest, der gerade dabei ist, dir zu sagen, dass er dich höchstwahrscheinlich liebt.“ Sie zuckte zusammen. Er hätte seine Farm verwettet, dass sie keine Miene verzogen hätte, wenn er mit seiner Pistole auf sie gezielt hätte. Aber das Wort Liebe bewirkte, dass sie fast vom Stuhl hochsprang. „Keine Panik“, bemühte er sich, sie zu beruhigen, während sie immer noch sprachlos war. „Ich habe gesagt, ‚ich glaube‘. Das lässt uns noch genügend sicheres Terrain, in dem wir uns bewegen können.“
„Für mich klingt es eher nach einem Minenfeld.“ Weil sie befürchtete, ihre Hand könnte wieder zittern, entzog sie sie ihm. „Ich fände es weise, wenn wir diesen Gedanken unter den gegenwärtigen Umständen fürs Erste auf sich beruhen lassen.“
„Und wer klingt jetzt wie ein Jurist?“ Er grinste, irgendwie verunsichert darüber, dass er das Gefühl hatte, über sich selbst lachen zu müssen. „Du glaubst, dass er dir eine höllische Angst einjagt, Darling? Ich weiß nicht, ob du dir vorstellen kannst, was er mit mir
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