Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die tödliche Bedrohung

Die tödliche Bedrohung

Titel: Die tödliche Bedrohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
seine Jeans, entschieden, diesmal nicht lockerzulassen. Sie würden reden, egal ob es ihr passte oder nicht. Er nahm ihre Hand und wartete, bis sie ihn anschaute.
    „Der Albtraum. Du träumst davon, dass du wieder vergewaltigt wirst, stimmt’s?“ Ihre Hand versteifte sich in seiner. „Ich habe dir erzählt, dass ich gehört habe, wie du dich mit Liz unterhalten hast.“
    Sie befahl ihren Fingern, sich zu entspannen, aber sie blieben steif und kalt. „Es ist lange her. Es ist schon lange nicht mehr wichtig.“
    „Natürlich ist es noch wichtig, wenn du nachts schreiend aus dem Schlaf aufwachst. Plötzlich ist alles wieder da“, fuhr er leise fort. „Wegen all dem, was mit Liz passiert ist. Es hat deine Erinnerungen wieder an die Oberfläche gebracht.“
    „Okay. Na und?“
    „Vertrau mir, Althea“, sagte er leise, ohne seinen Blick von ihr abzuwenden. „Lass mich dir helfen.“
    „Es tut weh“, hörte sie sich selbst sagen. Dann schloss sie die Augen. Jetzt hatte sie es zum ersten Mal zugegeben. „Nicht die ganze Zeit. Nicht mal die meiste Zeit. Es kommt nur ab und zu hoch und schneidet einen in Stücke.“
    „Ich will verstehen.“ Er zog ihre Hand an seine Lippen. Weil sie es zuließ, ließ er sie dort. „Sprich mit mir.“
    Sie wusste nicht, wo sie anfangen sollte. Wahrscheinlich am besten am Anfang. Sie ließ ihren Kopf gegen die Kissen sinken und schloss wieder die Augen.
    „Mein Vater trank, und wenn er getrunken hatte, trank er noch mehr, und wenn er noch mehr getrunken hatte, wurde er gemein. Er hatte große Hände.“ Sie ballte ihre zu Fäusten, machte sie wieder auf. „Er schlug meine Mutter damit und mich auch. Meine früheste Erinnerung sind diese Fäuste, die Wut darin, die ich nicht verstehen konnte, gegen die ich wehrlos war. Ich kann mich nicht besonders gut an ihn erinnern. Eines Nachts hatte er mit jemandem Streit, der noch gemeiner war als er, und am Ende war er tot. Damals war ich sechs.“
    Sie öffnete ihre Augen wieder, weil ihr klar geworden war, dass es nur eine andere Art von Verstecken war, wenn sie die Augen schloss. „Nachdem er tot war, beschloss meine Mutter, in seine Fußstapfen zu treten. Sie hat nicht so viel getrunken wie er, aber dafür regelmäßiger.“
    Er wunderte sich, wie es die Leute, die sie gerade beschrieben hatte, geschafft hatten, etwas so Schönes und Wahrhaftiges hervorzubringen wie die Frau neben ihm. „Hattest du jemand anders?“
    „Ich hatte Großeltern, die Eltern meiner Mutter. Ich weiß nicht, wo sie leben. Ich habe sie nie kennengelernt. Sie hatten nie mehr irgendetwas mit ihr zu tun, seit sie mit meinem Vater durchgebrannt ist.“
    „Aber sie wussten von dir?“
    „Falls ja, interessierte es sie nicht.“
    Er sagte nichts, versuchte zu begreifen. Aber er konnte es nicht, er konnte einfach nicht verstehen, dass es Familien gab, die sich so gleichgültig waren. „Okay. Was hast du gemacht?“
    „Wenn du ein Kind bist, machst du gar nichts“, sagte sie. „Du bist den Erwachsenen auf Gnade und Ungnade ausgeliefert, und die Wahrheit ist, dass viele Erwachsene keine Gnade kennen.“ Sie legte eine kleine Pause ein, um dann fortzufahren: „Als ich acht war, ging sie eines Abends aus – sie ging oft aus –, aber diesmal kam sie nicht wieder. Zwei Tage später rief eine Nachbarin bei der Fürsorge an. Ich wurde abgeholt.“
    Sie griff wieder nach dem Wasserglas. Diesmal zitterte ihre Hand nicht. „Es ist eine lange, typische Geschichte.“
    „Ich will sie hören.“
    „Sie steckten mich in ein Heim.“ Sie trank einen Schluck. Sie verzichtete darauf, ihm zu erzählen, wie verängstigt, wie verloren sie sich gefühlt hatte. Es verstand sich von selbst. „Es war okay. Annehmbar. Dann fanden sie sie, sie ermahnten sie ein bisschen und legten ihr dringend ans Herz, einen anständigeren Lebenswandel zu führen, und schickten mich zu ihr zurück.“
    „Warum zum Teufel haben sie das gemacht?“
    „Damals sah man manches noch anders. Die Gerichte waren fest davon überzeugt, dass ein Kind bei seiner Mutter am besten aufgehoben ist. Aber sie blieb natürlich nicht lange trocken, und dann begann der Teufelskreis wieder von vorn. Ich lief ein paar Mal weg, und sie brachten mich zurück. Ich galt als schwer erziehbar. Ich entwickelte zu dieser Zeit meinen ganz eigenen Trotz.“
    „Kein Wunder.“
    „Ich wurde im System herumgereicht. Sozialarbeiter, Gericht, Schulpsychologen. Sie waren alle überfordert. Dann fing meine Mutter etwas mit

Weitere Kostenlose Bücher