Die Tore Der Finsternis
beauftragte einen seiner Leute, Geld aus einem Versteck zu holen. (Die Polizei war in Johns’ Wohnung kaum fündig geworden: nur etwa fünftausend Pfund in bar und ein paar nicht registrierte Pistolen). Der Geldbote war nicht zurückgekehrt, und als man ihn schließlich aufspürte, behauptete er, von drei Männern verfolgt und überfallen worden zu sein - höchstwahrscheinlich denselben Männern, die das Geschäft vorgeschlagen hatten. Sie hatten Johns komplett augeplündert. Was die exakte Summe anging, war man auf die Gerüchteküche angewiesen. Die glaubwürdigste Schätzung der Reichtümer, die Johns angehäuft hatte, lag bei etwa drei Millionen.
Drei Millionen Pfund.
»Nennen Sie uns die Namen, dann sind wir eventuell geneigt, Ihnen zu glauben«, hatte einer der Ermittlungsbeamten zu Johns gesagt. Aber Johns hatte sich geweigert. Das sei nicht sein Stil, sei es nie gewesen und würde es nie sein. Kurz darauf wurde der Geldbote in der Nähe seiner Wohnung erstochen aufgefunden. Er hatte den Preis für sein Versagen zahlen müssen. Johns war fest davon überzeugt, dass dieser Mann niemals in der Lage gewesen wäre, ihn auf eigene Faust auszutricksen und zu bestehlen. Er hatte sich nur deshalb aus dem Staub gemacht, weil er die Konsequenzen des Diebstahls fürchtete. Drei Millionen waren keine Summe, die Bernie Johns einfach so abschrieb.
Die Ermordung war der Beweis dafür.
Zweifellos hatte Johns für die Polizisten, die ihn betrogen hatten - man ging davon aus, dass es Polizisten waren -, ein ähnliches Schicksal vorgesehen, aber ihm blieb nicht mehr die Zeit, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. Einer seiner Mitgefangenen bohrte ihm eine selbst gebastelte Klinge - den sorgfältig zugeschliffenen Stiel eines Suppenlöffels - in
den Nacken, als er gerade für sein Frühstück anstand. Bei diesem Häftling, der Alfie Frazer hieß, aber von allen nur ›Soft Alfie‹ genannt wurde, handelte es sich um einen von Francis Grays Spitzeln - was den Ermittlern einen ersten Hinweis darauf lieferte, wer an dem Coup gegen Johns beteiligt gewesen sein könnte.
Gray war verhört worden, hatte aber alles geleugnet. Es konnte nie mit Sicherheit geklärt werden, warum Soft Alfie - alles andere als eine große Leuchte und auch körperlich nicht gerade eine imposante Erscheinung - den Mord begangen hatte. Die Ermittler wussten nur, dass Gray mit allen Mitteln versucht hatte, Alfie vor dem Gefängnis zu bewahren. Man vermutete, Alfie sei ihm dafür etwas schuldig gewesen. Aber Alfie hatte nur drei Jahre abzusitzen: War es denkbar, dass er auf Grays Anweisung hin Johns getötet hatte, obwohl ihm das eine sehr viel längere Strafe einbrachte?
Es tauchte nur noch ein weiteres brauchbares Puzzleteil auf. An dem Tag, an dem Johns’ bedauernswerter Geldbote unterwegs gewesen war, wurden drei Beamte - Gray, McCullough und Ward - zusammen in einem Auto gesehen. Auf Nachfrage erklärten die drei, sie hätten zusammen eine Kneipentour gemacht, um den Abschluss der Ermittlungen zu feiern. Sie nannten die Namen der Pubs, ebenso den eines Restaurants, in dem sie gewesen waren.
Mehr hatten die hohen Tiere gegen die drei nicht in der Hand. Sie hatten nicht auf großem Fuß gelebt und auch kein Geld auf Geheimkonten gebunkert. Auf der letzten Seite des Berichts waren Francis Grays Disziplinarvergehen aufgeführt. Die Liste war handgeschrieben und trug keine Unterschrift. Rebus vermutete, dass sie von Grays Chief Constable stammte.Wenn man zwischen den Zeilen las, wurde die persönliche Abneigung des Verfassers nur allzu deutlich: »Eine Schande für die Polizei…«, »Beleidigung von Vorgesetzten…«, »Verbale Ausfälle in alkoholisiertem Zustand bei
einer öffentlichen Veranstaltung …« Sie hatten es also auf Gray abgesehen. So schlecht Rebus’ eigener Ruf auch sein mochte - Gray hatte es noch bunter getrieben. Es war Rebus ein Rätsel, warum man diesen Mann nicht längst gefeuert hatte. Vermutlich warteten die Chiefs auf eine Möglichkeit, ihn wegen der Sache mit Bernie Johns dranzukriegen. Aber inzwischen stand er kurz vor der Pensionierung, und ihnen lief die Zeit davon. Ihrer Ansicht nach sollte er endlich die Zeche zahlen - und zwar um jeden Preis.
Rebus trocknete sich ab und tappte ins Wohnzimmer. Aus den Lautsprechern schallten The Blue Nile. Er setzte sich stocknüchtern und gedankenversunken in seinen Sessel. Die gesamte Akte bestand nur aus Mutmaßungen, Gerüchten und Berichten ehemaliger Knastbrüder. Als Indizien
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