Die Tore Der Finsternis
seufzte. »Entschuldigung… ich bin ein bisschen neben der Spur um diese Tageszeit.« Sie fuhr sich durchs Haar. »Apropos, was hatten Sie dort so spät eigentlich noch zu suchen?«
»Ich wollte sie warnen.«
»Zu dieser nachtschlafenden Zeit?«
»Ich dachte, dann ist die Chance am größten, sie bei der Arbeit anzutreffen.« Siobhan beantwortete die Fragen, war aber mit den Gedanken ganz woanders. Sie stand immer noch auf dieser Straße. Das leise Klicken, als jemand die Tür der Sauna verriegelte … die Hand, die sich in Todesangst an ihr Auto klammerte.
Tsssk!
» Leith CID bearbeitet den Fall«, sagte Templer überflüssigerweise. »Die Kollegen werden bestimmt mit Ihnen sprechen wollen.«
Siobhan nickte.
»Phyllida Hawes ist unterwegs, um den Verwandten die Nachricht zu überbringen.«
Siobhan nickte erneut. Sie fragte sich, ob Donny Dow das
Messer am selben Nachmittag gekauft hatte. Ganz in der Nähe von St. Leonard’s gab es einen Heimwerkerladen.
»Es war Vorsatz«, erklärte Siobhan. »Das werde ich in meinem Bericht schreiben. Dieses Schwein kommt mir nicht mit Totschlag davon.«
Jetzt war Templer an der Reihe zu nicken. Siobhan wusste, was ihre Vorgesetzte dachte: Mit einem guten Anwalt im Rücken würde Dow auf Totschlag plädieren… ein Aussetzer… verminderte Zurechnungsfähigkeit. Mein Klient, Euer Ehren, hatte gerade erst erfahren, dass seine Exfrau, der das Sorgerecht für seinen Sohn übertragen worden war, nicht nur als Prostituierte arbeitete, sondern zudem in einer Wohnung lebte, die ihr und dem Kind von einem ihrer Kunden zur Verfügung gestellt worden war. Angesichts dieser Enthüllung - die ihm ausgerechnet auf einem Polizeirevier gemacht wurde - floh Mr Dow und streifte in einem Zustand geistiger Verwirrung stundenlang unbehelligt durch die Stadt…
Dow würde lediglich sechs Jahre bekommen.
»Es war furchtbar«, sagte sie, die Stimme zu einem Flüstern gesenkt.
»Das kann ich mir vorstellen.« Templer nahm ihre Hand. Siobhan musste an Laura denken… an Laura, als sie noch gelebt, als sie im Wagen ihre Hand berührt hatte.
Jemand klopfte energisch an die Tür und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten. Siobhan sah, wie Templer schon Luft holte, um den Störenfried zur Schnecke zu machen. Es war Davie Hynds. Er warf Siobhan einen Blick zu, dann wandte er sich an Templer.
»Wir haben ihn«, sagte er.
Dow behauptete, er habe sich freiwillig gestellt, aber die Polizisten, die ihn verhaftet hatten, sagten, er habe bei der Verhaftung Widerstand geleistet. Siobhan wollte ihn sehen. Er saß in einer Zelle im Untergeschoss. Er sollte möglichst bald nach Leith überführt werden, wo die Zellen uralt waren und
das ganze Jahr über eine Temperatur wie im Eisschrank herrschte. Dow war in Tollcross geschnappt worden, offenbar auf dem Weg zur Morningside Road - vielleicht, um die Stadt per Anhalter in Richtung Süden zu verlassen. Doch dann fiel Siobhan ein, dass sich Caffertys Maklerbüro dort befand.
Vor der Zelle stand ein Pulk von Beamten. Sie lachten gerade über irgendetwas. Derek Linford war auch darunter. Er rieb sich die Fingerknöchel, als Siobhan auf sie zukam. Einer der Uniformierten schloss die Zelle auf. Siobhan blieb auf der Schwelle stehen. Dow saß auf der Betonpritsche, den Kopf tief gesenkt. Erst als er ihn hob, sah sie die Blutergüsse. Beide Augen waren fast zugeschwollen.
»Sieht aus, als hätten Sie ihn nicht nur in die Weichteile getreten, Shiv«, sagte Linford, worauf erneutes Gelächter folgte. Sie musterte ihn.
»Erzählen Sie mir nicht, dass Sie das für mich getan haben«, sagte sie. Das Gelächter verstummte, das Grinsen verschwand. »Ich war bestenfalls der Vorwand...« Dann wandte sie sich wieder an Dow. »Aber ich hoffe trotzdem, dass es wehtut. Ich hoffe, es hört nie wieder auf, wehzutun. Ich hoffe, du kriegst Krebs, du mieses Stück Scheiße.«
Erneutes Grinsen, doch sie marschierte wortlos an den Männern vorbei.
18
Sie hatten den Lexus genommen. Gray kannte sich in Glasgow aus. Rebus hätte bloß den Weg nach Barlinnie gefunden: das berühmte Bar-L-Gefängnis befand sich im Osten der Stadt, nahe einer Autobahnausfahrt. Aber Chib Kelly war nicht in Barlinnie, er lag unter Bewachung in einem Krankenhaus. Er hatte einen Schlaganfall erlitten, deswegen war Eile geboten. Wenn sie mit Chib Kelly reden wollten, mussten sie das so schnell wie möglich tun.
»Aber vielleicht simuliert er nur«, sagte Rebus.
»Vielleicht«, meinte Gray.
Rebus
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