Die Tore Der Finsternis
Frauen«, erwiderte Hetherington und stieß mit ihr an. Sie zögerte. »Sie ahnen gar nicht, was für ein Glück Sie haben.«
»So?«
»Na ja, Glück ist vielleicht der falsche Ausdruck. Man könnte es auch Instinkt oder Kismet oder so was nennen.« Sie nippte an ihrem Glas. »Viele meiner Kollegen vom CID
kennen Jazz McCullough, und einige von ihnen wären vielleicht sogar bereit, mit Ihnen zu sprechen. Aber von den meisten würden Sie nicht viel erfahren.«
»Er hat also eine Menge Freunde?«
»Er hat sich eine Menge Freunde gemacht, vielen Leuten im Lauf der Jahre einen Gefallen getan.«
»Aber Sie gehören nicht dazu?«
»Ich hab ein paar Mal mit ihm zusammengearbeitet. Er hat so getan, als wär ich unsichtbar, was, wie Sie sich vorstellen können, eine ziemliche Leistung ist.«
Das fand Siobhan auch; sie schätzte, dass Hetherington ein, zwei Zentimeter größer war als McCullough, vielleicht sogar noch mehr.
»Heißt das, er konnte Sie nicht leiden?«
Hetherington schüttelte den Kopf. »So weit würde ich nicht gehen. Er hielt mich einfach für entbehrlich .«
»Weil Sie eine Frau sind?«
Hetherington zuckte mit den Achseln. »Vielleicht.« Sie hob wieder ihr Glas. »Erwarten Sie also nicht, dass er Sie mit offenen Armen empfängt.«
»Keine Sorge.« Siobhan dachte an die Szene in Leith und musste einen Schauder unterdrücken. Der Alkohol schien ihren ganzen Körper zu durchströmen. Sie schob sich eine Handvoll Nüsse in den Mund.
»Was wollen Sie ihn denn überhaupt fragen?«
»Das Fax, das Sie mir geschickt haben...«
»Ich hab den Namen der Frau schon wieder vergessen.«
»Ellen Dempsey. McCullough hat sie zweimal festgenommen. Einmal wegen Prostitution und das andere Mal, weil sie einen Fahrgast im Taxi mit Reizgas besprüht hat. Möglicherweise hat Dempsey mit einem Fall zu tun, in dem ich gerade ermittle.«
»Und was für eine Rolle spielt McCullough dabei?«
»Wahrscheinlich gar keine, aber ich will ihn trotzdem fragen.«
Hetherington nickte verständnisvoll. »Tja, ich hab Ihnen alles gesagt, was ich über ihn weiß.«
»Sie haben nicht erwähnt, dass er gerade einen Lehrgang in Tulliallan besucht.«
»Ach, Sie wissen davon? Jazz fällt es nicht immer leicht, Anweisungen zu befolgen.«
»Ein Kollege von mir hat dasselbe Problem. Der ist übrigens auch gerade in Tulliallan.«
»Deshalb wissen Sie also, dass Jazz dort ist. Aber Sie können mir glauben, dass ich ihn nicht decken wollte, Siobhan. Ich dachte einfach, es wäre nicht so wichtig.«
»Alles ist wichtig, Liz«, erklärte Siobhan. »Ich hab nämlich das Gefühl - aber das bleibt unter uns, ja?«, sie wartete, bis Hetherington nickte, »dass McCullough womöglich den Kontakt zu dieser Ellen Dempsey aufrechterhalten hat, nachdem sie aus Dundee weggezogen ist.«
»Und wie eng, glauben Sie, ist dieser Kontakt?«
»Eng genug, dass er sie beschützen will.«
Hetherington dachte kurz nach. »Ich weiß nicht, ob ich Ihnen da weiterhelfen kann. Er ist verheiratet und hat Kinder, von denen eins schon studiert.« Sie machte eine Pause. »Mit der Ehe steht’s offenbar nicht zum Besten.«
»Ach so?«
Hetherington zögerte. »Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als würde ich über ihn herziehen.«
»Das tun Sie nicht, Liz.« Siobhan wartete darauf, dass sie weitersprach.
Hetherington seufzte. »Der Gerüchteküche zufolge ist er vor ein paar Monaten von zu Hause ausgezogen, lässt sich aber ab und zu noch dort blicken. Soll sich in der Nachbarschaft eine Wohnung gemietet haben.«
»Wohnt er hier in der Stadt?«
Hetherington schüttelte den Kopf. »Ein bisschen außerhalb. In Broughty Ferry.«
»Ist das an der Küste?«
Hetherington nickte. »Hören Sie, ich will den Typ wirklich nicht schlechtmachen. Sie könnten ein Dutzend Kollegen fragen, und kaum einer würde...«
»Aber er hat Probleme mit seinen Vorgesetzten?«
»Er hält sich nun mal für schlauer als sie. Und wer will es ihm verübeln?«
»Das erinnert mich schon wieder an meinen Kollegen«, sagte Siobhan lächelnd.
»He, Mädels, ihr seht aus, als könntet ihr noch was zu trinken gebrauchen.« Zwei Männer mit Biergläsern in der Hand hatten sich zu ihnen gesellt. Sie trugen Anzug, Krawatte und Ehering.
»Heute nicht, Jungs«, entgegnete Hetherington. Derjenige, der sie angesprochen hatte, zuckte die Achseln.
»War ja nur’ne Frage«, meinte er. Hetherington verabschiedete sie mit einem Winken.
»Wollen wir das Lokal wechseln?«, fragte
Weitere Kostenlose Bücher