Die Tore Der Finsternis
in Großbritannien relativ bekannt. Und er hat auch treue Abnehmer in den Staaten und in Fernost.«
»Er lebt aber nicht wie ein reicher Mann.«
»Sie meinen sein Pied-à-terre in Stockbridge?« Mann lächelte. »Lassen Sie sich davon nicht täuschen. Er benutzt die Wohnung als Atelier. Er besitzt ein recht großes Haus in Inveresk, und wenn es stimmt, was man sich erzählt, hat er seine Immobiliensammlung kürzlich noch um ein Häuschen im Perigord bereichert.«
»Der Ausschluss von der Ausstellung hat ihm also finanziell nicht besonders weh getan?«
»Finanziell nicht, nein.«
»Aber in anderer Hinsicht?«
»Malcolm hat ein ausgeprägtes Ego, wie alle Künstler. Er kann es nicht ertragen, ausgeschlossen zu werden.«
»Glauben Sie, dass er Marber deshalb des Betrugs bezichtigt?«
Mann zuckte mit den Achseln. Er hatte endlich aufgehört, in seinem Milchkaffee zu rühren, und prüfte jetzt mit den Fingerspitzen die Temperatur der Glastasse. »Malcolm hält sich nicht einfach nur für einen Koloristen: Er ist der Meinung, dass er eigentlich der Kopf der Gruppe sein müsste.«
»Zwischen ihm und Marber soll es zu Handgreiflichkeiten gekommen sein.«
»Behauptet man.«
»Sie glauben es nicht?«
Er sah sie an. »Haben Sie Malcolm gefragt?«
»Noch nicht.«
»Vielleicht sollten Sie das tun. Dann könnten Sie ihn auch gleich fragen, was er an jenem Abend vor Edwards Galerie zu suchen hatte.«
Siobhan hatte plötzlich Schwierigkeiten, den Rest ihres Espresso hinunterzubringen. Er schmeckte nach Schlamm. Sie griff wieder nach der Wasserflasche. »Sie waren auch da?«, brachte sie schließlich hervor.
Mann schüttelte den Kopf. »Ich war nicht eingeladen. Aber wir Kunsthändler… sind immer neugierig, wie es bei der
Konkurrenz läuft. Ich bin mehr oder weniger zufällig mit dem Taxi vorbeigekommen. Zu meinem Leidwesen herrschte ziemlicher Betrieb.«
»Und bei der Gelegenheit haben Sie Malcolm Neilson gesehen?«
Mann nickte langsam. »Er stand draußen auf dem Bürgersteig, wie ein Kind vor dem Schaufenster eines Spielwarengeschäfts.«
»Warum haben Sie mir das nicht schon letztes Mal erzählt?«
Mr Mann wirkte wieder nachdenklich und blickte aus dem Fenster. »Vielleicht wegen Ihres Begleiters«, sagte er.
Als sie wieder im Auto saß, hörte Siobhan ihre Mailbox ab: drei Nachrichten von Davie Hynds. Sie rief ihn auf seinem Handy an.
»Was ist los?«, fragte sie.
»Ich wollte nur hören, wie die Trauerfeier war.«
»Ich bin nicht hingegangen.«
»Damit gehören Sie eindeutig zur Minderheit. Anscheinend ist der Großteil unserer Belegschaft dort.«
Siobhan wusste, dass die Kollegen bei der Zeremonie nach möglichen Verdächtigen Ausschau halten und die Namen und Adressen aller anwesenden Personen notieren würden. »Sind Sie auf der Wache?«
»Im Moment scheine ich die Wache zu sein. Übers Wochenende waren wir auch bloß eine Art Rumpfmannschaft.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie am Wochenende gearbeitet haben.«
»Ich dachte, ich zeige ein bisschen Einsatz. Wissen Sie schon das Neueste?«
»Nein.«
»Marbers Kontoauszüge. Offenbar hat er einen Lagerraum unten in Granton angemietet. Erst vor einem Monat. Ich bin hingefahren, um mich umzusehen, aber der Raum
war leer. Der Besitzer sagt, seines Wissens sei Marber kein einziges Mal dort gewesen.«
»Was hat er wohl einlagern wollen?«
»Vielleicht Gemälde.«
»Vielleicht.« Siobhan klang skeptisch.
»Weder seine Sekretärin noch Cynthia Bessant wussten davon.«
»Haben Sie etwa zufällig ein weiteres Mal bei Madame Cyn vorbeigeschaut?«, erkundigte Siobhan sich zuckersüß.
»Ich musste ihr noch ein paar Fragen stellen.«
»Bei dem einen oder anderen Gläschen Wein?«
»Keine Sorge, ich hatte einen Anstandswauwau dabei.« Hynds schwieg einen Moment. »Wo sind Sie eigentlich, da Sie sich ja die Trauerfeier geschenkt haben?«
»In der Stadt. Ich hab gerade überlegt, ob ich unserem Künstler einen zweiten Besuch abstatten soll.«
»Malcolm Neilson? Weshalb?«
»Es gibt neue Informationen. Neilson war bei der Vernissage.«
»Und warum hat uns das niemand gesagt?«
»Ich glaube, er ist gar nicht reingegangen, sondern hat nur draußen auf dem Bürgersteig gestanden.«
»Sagt wer?«
»Dominic Mann.«
Wieder kurzes Schweigen. »Sie haben mit ihm gesprochen?«
»Er hat mich angerufen«, log Siobhan. Sie wollte nicht, dass Hynds erfuhr, dass sie ohne ihn zu Mann gegangen war. Denn möglicherweise würden sie eines Tages ein festes
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