Die Tore Der Finsternis
den offiziellen Berichten dokumentiert.«
»Aber es muss doch Aufzeichnungen geben. Irgendetwas muss es doch geben.«
Strathern blickte sich nervös um, als fürchtete er, belauscht zu werden. Eines wusste Rebus genau: Wenn die ganze Geschichte mit Bernie Johns nur ein Vorwand war, dann würde es keine Aufzeichnungen, keine Hintergrundinformationen geben.
»In Ordnung.« Strathern flüsterte beinahe. »Ich schicke Ihnen alles, was ich besorgen kann.«
»Bis heute Abend«, fügte Rebus hinzu.
»John, das dürfte nicht -«
»Ich brauche es heute Abend, Sir.«
Strathern zuckte fast zusammen. »Spätestens morgen.«
Die beiden Männer sahen sich lange in die Augen. Schließlich nickte Rebus. Er fragte sich, ob er Strathern damit genügend Zeit ließ, sich einen Fantasiefall auszudenken. Wohl kaum.
Morgen würde er endlich Klarheit haben.
»Wenn möglich, noch heute Abend«, sagte er, während er zur Tür ging. Diesmal begab er sich geradewegs auf sein Zimmer, um sich endlich die Zigaretten zu holen.
7
»Wo steckt denn Ihr homophober Freund?«, fragte Dominic Mann.
Siobhan und Mann saßen sich an einem winzigen Fenstertisch in einem Café im West End gegenüber. Er rührte in seinem koffeinfreien Kaffee mit fettarmer Milch, während sie schon die erste Dosis ihres doppelten Espresso intus
hatte. Ihr Gaumen fühlte sich an, als sei er mit einem dünnen Film überzogen. Sie suchte in ihrer Handtasche nach der Wasserflasche, die sie immer dabei hatte.
»Sie haben es bemerkt.«
»Ich habe bemerkt, dass er die ganze Zeit meinem Blick ausgewichen ist.«
»Vielleicht ist er nur schüchtern«, meinte Siobhan. Sie nahm einen Schluck Wasser aus der Flasche, behielt ihn einen Moment im Mund, bevor sie ihn hinunterschluckte. Mr Mann sah auf seine Uhr, deren Zifferblatt er innen am Handgelenk trug. Sie erinnerte sich, dass ihr Vater es genauso gemacht, und auf ihre Frage, warum er das tat, geantwortet hatte, er wolle verhindern, dass das Glas zerkratze.Trotzdem war das Glas fast undurchsichtig vor lauter Kratzern gewesen.
»Ich muss um zehn aufmachen«, sagte der Kunsthändler.
»War Ihnen nicht danach, zur Trauerfeier zu gehen?« Damit meinte sie Edward Marbers Trauerfeier, die vor etwa einer halben Stunde im Krematorium in Warriston begonnen hatte.
Mann erschauerte. »Ich kann Trauerfeiern nicht ausstehen. Ehrlich gesagt bin ich froh, eine Entschuldigung zu haben.«
»Freut mich, Ihnen behilflich zu sein.«
»Was kann ich denn nun für Sie tun?«, fragte Mann. Die beiden obersten Knöpfe seines gelben Hemds standen offen, und er hatte einen Finger in den Ausschnitt gehakt.
»Ich wüsste gern mehr über Edward Marber. Wenn er wirklich ein Betrüger war... wie wäre er dann vorgegangen?«
»Kommt drauf an, wen er betrügen wollte: Kunden oder Künstler?«
»Wie wär’s mit beiden?«
Mann holte tief Luft und hob eine Augenbraue. » Fünf Minuten, haben Sie gesagt?«
Siobhan lächelte. »Hängt vielleicht davon ab, wie schnell Sie reden.«
Mann nahm den Finger aus seinem Hemd und rührte wieder in seinem Milchkaffee. Es sah nicht so aus, als hätte er die Absicht, ihn wirklich zu trinken. Während er sprach, wanderte sein Blick zum Fenster. Draußen hasteten Büroangestellte zur Arbeit.
»Na ja, ein Händler kann potentielle Käufer auf unterschiedliche Arten betrügen. Man kann die Bedeutung eines Künstlers oder auch den Wert und die Seltenheit der Werke verstorbener Künstler überschätzen. Man kann Fälschungen anbieten - das sind die Fälle, die normalerweise Schlagzeilen machen.«
»Sie glauben nicht, dass Mr Marber mit Fälschungen gehandelt hat?«
Mann schüttelte nachdenklich den Kopf. »Und er war auch kein Hehler. Andererseits, wenn er es doch war, würde es wohl kaum jemand in Edinburgh wissen.«
»Wie das?«
»Weil solche Transaktionen in der Regel sub rosa abgewickelt werden.« Er sah, wie sich ihre Augen verengten. »In aller Verschwiegenheit«, erklärte er.
»Und was ist mit dem Betrug an den Künstlern selbst?«, hakte sie nach.
Mann zuckte mit den Achseln. »Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum einen kann man eine überhöhte Provision verlangen - was kaum als Betrug zu bezeichnen ist, aber ein Künstler könnte da anderer Meinung sein.«
»Wie hoch ist die Provision in der Regel?«
»Zwischen zehn und fünfundzwanzig Prozent. Je bekannter der Künstler, desto geringer ist sie.«
»Und bei jemand wie Malcolm Neilson?«
Mann wog seine Antwort sorgfältig ab. »Malcolm ist
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