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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Murdo mit seiner Predigtstimme.
    »Es reicht«, sagte
Roland, dem das Spiel langweilig wurde. »Ihr verschwendet nur unsere Zeit, ihr
zwei. Ich werde Saul Whitehead nominieren. Und jetzt raus mit euch.«
    St.-John-in-the-Forest
war eine Miniaturversion der Priorei von Kingsbridge. Die Kirche war klein, wie
auch der steinerne Kreuzgang und das Dormitorium; die restlichen Gebäude waren
schmucklose Fachwerkbauten. Es gab acht Mönche und keine Nonnen. Die Brüder bauten
den größten Teil ihrer Nahrung selbst an und machten einen Ziegenkäse, der in
ganz Südwestengland berühmt war.
    Godwyn und Philemon
waren zwei Tage lang geritten. Es war ein klarer Abend, als die Straße endlich
aus dem Wald herausführte, sodass die beiden Brüder die gerodeten Felder mit
der Kirche in der Mitte sehen konnten. Godwyn wusste sofort, dass seine Ängste
berechtigt waren. Die Berichte, die Saul Whitehead als Prior der Zelle lobten,
waren nicht übertrieben. Alles war überaus ordentlich: Die Hecken waren sauber
geschnitten, die Gräben gerade, die Bäume im Obsthain in regelmäßigen Abständen
gepflanzt, und auf den Feldern fand sich nicht ein Unkrauthalm. Godwyn war
sicher, dass auch die Stundengebete zur rechten Zeit und in tiefster Ehrfurcht
gehalten wurden. Ihm blieb nur zu hoffen, dass Sauls offensichtliches Können
nicht den Ehrgeiz in ihm entfacht hatte, eine größere Priorei zu leiten.
    Als sie über den
Pfad durch die Felder ritten, fragte Philemon:
    »Warum ist der Graf
so begierig darauf, seinen Verwandten zum Prior von Kingsbridge zu machen?«
    »Aus dem gleichen
Grund, aus dem er seinen jüngeren Sohn zum Bischof von Kingsbridge gemacht
hat«, antwortete Godwyn. »Bischöfe und Prioren sind mächtig. Der Graf will
sicherstellen, dass jeder mächtige Mann in der Umgebung ein Verbündeter und
kein Feind ist.«
    »Worüber sollten
sie sich denn streiten?« Godwyn fand es interessant, dass der junge Philemon
sich allmählich von dem Schachspiel fasziniert zeigte, das man Politik nannte.
»Land, Steuern, Rechte, Privilegien … Zum Beispiel könnte der Prior eine neue
Brücke in Kingsbridge bauen wollen, um den Wollmarkt wieder in Schwung zu
bringen, und der Graf könnte sich einem solchen Vorhaben widersetzen, weil er
keine Einbußen auf seinem eigenen Markt in Shiring haben will.« »Aber ich
verstehe nicht ganz, was der Prior gegen den Grafen ins Feld führen sollte. Ein
Prior hat keine Soldaten … « »Ein Kirchenmann kann das Volk beeinflussen.
Wenn er gegen den Grafen predigt oder die Heiligen anruft, dass sie dem Grafen
Unglück bringen, werden die Menschen glauben, dass der Graf verflucht ist. Dann
werden sie seine Macht mit Vorbehalt betrachten, ihm misstrauen und davon
ausgehen, dass alle seine Unternehmungen zum Scheitern verurteilt sind. Es kann
sehr schwer für einen Edelmann sein, sich einem wirklich entschlossenen
Kirchenmann entgegen zu stellen. Schau, was mit König Heinrich II nach dem Mord
an Thomas Becket passiert ist.«
    Sie ritten auf den
Hof und saßen ab. Die Pferde tranken sofort aus dem Trog. Es war niemand zu
sehen außer einem Mönch, der sein Gewand hochgezogen hatte und durch einen
Schweinepferch hinter dem Stall watete. Er war sicherlich ein Novize, dass er
solch eine Arbeit verrichtete. Godwyn rief ihm zu: »He, Junge! Komm und hilf
uns mit den Pferden!« »Sofort!«, rief der Mönch zurück. Er mistete den Pferch
noch rasch aus, lehnte dann die Harke an die Stallwand und schlurfte auf die
Neuankömmlinge zu. Godwyn wollte ihm gerade sagen, er solle beim Gehen nicht
einschlafen, als er Sauls blonden Haarkranz erkannte.
    Das gefiel Godwyn
gar nicht. Ein Prior sollte sich nicht um die Schweine kümmern. Auch
prahlerische Demut war Prahlerei. In diesem Fall würde Sauls Demut Godwyns
Zielen aber womöglich dienlich sein.
    Er lächelte Saul
freundlich an. »Gott zum Gruß, Bruder. Ich wollte dem Prior nicht befehlen,
mein Pferd abzusatteln.«
    »Warum nicht?«,
entgegnete Saul. »Jemand muss es ja tun, und du bist den ganzen Tag geritten.«
Saul führte die Pferde in den Stall.
    »Die Brüder sind
auf den Feldern«, rief er. »Aber sie werden bald zum Abendgebet zurück sein.«
Er kam wieder aus dem Stall.
    »Kommt in die
Küche.«
    Saul und Godwyn
hatten sich nie sonderlich nahegestanden.
    Godwyn fühlte sich
durch Sauls Frömmigkeit irgendwie herabgewürdigt. Saul war nie unfreundlich,
doch mit seiner leisen Entschlossenheit machte er

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