Die Tore der Welt
die Dinge einfach anders.
Godwyn musste achtgeben, dass er sich nicht darüber ärgerte. Er war auch so
schon nervös genug.
Godwyn und Philemon
folgten Saul über den Hof und in ein eingeschossiges Gebäude mit hohem Dach.
Obwohl es aus Holz bestand, hatte es einen steinernen Herd und einen Kamin.
Dankbar setzten sie sich auf die rauen Bänke an einem geschrubbten Tisch.
Saul füllte zwei
großzügige Becher Bier aus einem großen Fass.
Er setzte sich den
beiden Besuchern gegenüber. Philemon trank durstig, doch Godwyn nippte nur an
seinem Bier. Saul bot ihnen nichts zu essen an, und Godwyn vermutete, dass sie
vor dem Abendgebet auch nichts bekommen würden. Aber er war ohnehin viel zu
aufgeregt, um etwas zu essen.
Das war wieder so
eine Gratwanderung, sinnierte Godwyn.
Schon gegen Murdos
Nominierung hatte er auf diplomatische Weise angehen müssen, damit Roland nicht
auf den Gedanken kam, er, Godwyn, hielte die Nominierung für eine schlechte
Idee. Auch hier wusste er, was er sagen musste; aber er musste es richtig sagen.
Machte er auch nur einen falschen Schritt, würde Saul misstrauisch werden, und
dann war alles möglich.
Saul ließ ihm keine
Zeit, sich weiter den Kopf zu zerbrechen.
»Was führt dich
her, Bruder?«, fragte er.
»Graf Roland hat
seinen Verstand zurückerlangt.« »Dafür danke ich Gott.«
»Das heißt, dass
wir einen neuen Prior wählen können.« »Gut. Wir sollten auch nicht lange ohne
einen neuen Vater bleiben.«
»Aber wer sollte es
sein?«
Saul wich der Frage
aus. »Sind schon Namen genannt worden?«
»Bruder Thomas, der
Matricularius.«
»Er wäre ein guter
Verwalter. Sonst noch jemand?« Godwyn sagte nur die halbe Wahrheit. »Formell
nicht.« »Was ist mit Carlus?
Als ich zu Anthonys
Beerdigung nach Kingsbridge gekommen bin, war der Subprior der
aussichtsreichste Kandidat.« »Carlus hat das Gefühl, für die Aufgabe doch nicht
so ganz geeignet zu sein.« »Wegen seiner Blindheit?«
»Gut möglich.« Saul
wusste nichts von Carlus‘ Sturz beim Gottesdienst zum Geburtstag des heiligen
Adolphus. Godwyn beschloss, es ihm auch nicht zu sagen. »In jedem Fall hat er
darüber nachgedacht und gebetet und seine Entscheidung getroffen.«
»Hat der Graf denn
keinen eigenen Kandidaten aufgestellt?« »Er denkt darüber nach.« Godwyn
zögerte. »Deshalb sind wir hier. Der Graf denkt darüber nach … Er denkt
darüber nach, dich zu nominieren.« Das war nicht mal eine Lüge, tröstete Godwyn
sich, nur fehlerhaft betont.
»Ich fühle mich
geehrt.«
Godwyn musterte
Saul. »Aber es überrascht dich nicht wirklich, oder?« Saul errötete. »Verzeih.
Der große Philip hatte zuerst hier die Leitung, ehe er Prior von Kingsbridge
geworden ist, und andere haben den gleichen Weg beschritten. Das heißt
natürlich nicht, dass ich genauso würdig bin, wie diese großartigen Brüder es
waren.
Aber ich muss
gestehen, dass der Gedanke mir schon einmal gekommen ist.« »Kein Grund, sich zu
schämen. Wie denkst du darüber, nominiert zu werden?« »Wie sollte ich darüber
denken?« Saul wirkte verwirrt. »Warum fragst du mich das? Wenn der Graf es
wünscht, wird er mich nominieren, und wenn meine Brüder mich wollen, werden sie
für mich stimmen, und ich werde mich von Gott berufen fühlen. Wie ich darüber
denke, spielt keine Rolle.« Das war nicht die Antwort, die Godwyn hören wollte.
Es war wichtig für ihn, dass Saul sich eine eigene Meinung bildete. Das ganze
Gerede von Gott passte da nicht hinein. »So einfach ist das nicht«, sagte er.
»Du musst die Nominierung nicht annehmen. Deshalb hat der Graf mich geschickt.«
»Seltsam. Es passt gar nicht zu Roland, dass er fragt, wenn er befehlen kann.«
Godwyn wäre beinahe
zusammengezuckt. Vergiss nie, wie klug Saul ist, ermahnte er sich und trat
rasch den Rückzug an. »Das stimmt. Aber es könnte ja sein, dass du schwankst
und vielleicht ablehnst, und dann muss Graf Roland es so rasch wie möglich erfahren,
damit er jemand anderen nominieren kann.« Das entsprach vermutlich der
Wahrheit, auch wenn Roland sich nicht entsprechend geäußert hatte.
»Mir war gar nicht
klar, dass das so läuft.«
So läuft das auch
nicht, dachte Godwyn, doch er sagte: »Das letzte Mal hat es einen solchen Fall
gegeben, als Prior Anthony gewählt worden ist. Du und ich, wir waren damals
noch Novizen und haben von allem nicht viel mitbekommen.« »Das stimmt.«
»Glaubst du, über
die nötigen
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