Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
womit er dem Grafen zeigte, dass Murdo den Mönchen keine Treue
schuldete — was Roland sehr gefallen würde, denn er wollte einen Prior ganz für
sich allein. Andererseits durfte Godwyn nicht zu heftig protestieren, denn er
wollte nicht, dass der Graf erkannte, was für ein hoffnungsloser Kandidat Murdo
wirklich war. Es war ein schwieriger Balanceakt, den er sich vorgenommen hatte.
    Murdo sprach als
Erster mit seiner sonoren Kanzelstimme. »Mylord, ich bin gekommen, Euch zu
bitten, mich als Prior von Kingsbridge in Erwägung zu ziehen. Ich glaube … «
    »Um der Liebe der
Heiligen willen, nicht so laut«, protestierte Roland.
    Murdo senkte die
Stimme. »Mylord, ich glaube, dass ich … «
    »Warum wollt Ihr
Prior werden?«, fiel Roland ihm erneut ins Wort. »Ich dachte, ein Friar sei ein
Mönch ohne Kirche, aus Prinzip.«
    Diese Ansicht war
altmodisch. Friars waren ursprünglich umherziehende Bettelmönche ohne jeden
weltlichen Besitz, doch die Zeiten hatten sich geändert: Es gab Bettelorden,
deren Brüder genauso reich waren wie gewöhnliche Mönche. Roland wusste das
auch; er wollte nur provozieren.
    Murdo gab die
übliche Antwort: »Ich glaube, dass Gott beide Arten des Opfers akzeptiert.«
    »Dann bist du also
willens, die Fahne zu wechseln.« »Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die
Fähigkeiten, die der Herr mir gegeben hat, besser in einer Priorei zur
Entfaltung kommen — also ja, es würde mich freuen, mich der Regel des heiligen
Benedikt unterwerfen zu dürfen.« »Aber warum sollte ich deine Kandidatur in Betracht
ziehen?« »Ich bin auch geweihter Priester.«
    »Daran besteht kein
Mangel.«
    »Und ich habe
Anhänger in Kingsbridge und den umliegenden Landstrichen. Deshalb darf ich mit
Stolz behaupten, der einflussreichste Gottesmann in der ganzen Gegend zu sein!«
    Vater Jerome sprach
zum ersten Mal. Er war ein selbstbewusster junger Mann mit klugem Gesicht, und
Godwyn konnte spüren, dass Jerome Ehrgeiz hatte. »Das stimmt«, sagte er nun.
»Der Friar ist außergewöhnlich beliebt.«
    Natürlich war Murdo
bei den Mönchen ganz und gar nicht beliebt; das aber wussten weder Roland noch
Jerome, und Godwyn würde sie in dieser Hinsicht nicht erhellen.
    Auch Murdo war sich
dessen nicht bewusst. Er neigte den Kopf und sagte in salbungsvollem Ton: »Ich
danke Euch von ganzem Herzen, Vater Jerome.«
    »Der Friar ist
äußerst beliebt bei der ungebildeten und unwissenden Masse«, sagte Godwyn.
    »Wie es auch unser
Erlöser gewesen ist«, schoss Murdo zurück.
    »Mönche sollten in
Armut und Selbstkasteiung leben«, sagte Godwyn.
    Roland warf ein:
»Die Kleider des Friars jedenfalls sehen mir armselig genug aus, und was die
Selbstkasteiung angeht, scheinen mir die Mönche von Kingsbridge besser im
Fleisch zu stehen als viele Bauern.«
    »Aber Friar Murdo
wurde trunken in Tavernen gesehen!«, protestierte Godwyn.
    Murdo sagte: »Die
Regeln des heiligen Benedikt gestatten es Mönchen, Wein zu trinken.«
    »Nur, wenn sie
krank sind oder auf dem Feld arbeiten.« »Ich predige auf den Feldern.«
    Murdo war ein gewandter
Gegner im Disput, stellte Godwyn fest. Er war froh, dass er diese Diskussion
hier gar nicht gewinnen wollte. Godwyn wandte sich wieder Roland zu. »Ich kann
nur sagen, dass ich als Mesner Euer Gnaden dringendst davon abraten muss, Murdo
als Prior von Kingsbridge zu nominieren.«
    »Zur Kenntnis
genommen«, erwiderte Roland kalt.
    Philippa warf
Godwyn einen leicht verwunderten Blick zu, und er erkannte, dass er ein wenig
zu schnell nachgegeben hatte. Doch Roland hatte es nicht bemerkt; solche
Feinheiten waren nicht sein Metier.
    Murdo war noch
nicht fertig. »Der Prior von Kingsbridge muss natürlich Gott dienen; aber in
allen weltlichen Dingen sollte er sich vom König und dessen Grafen und Baronen
leiten lassen.«
    Offener geht es
nicht, dachte Godwyn. Murdo hätte genauso gut sagen können: »Mach mich zum
Prior, und ich bin dein Mann.« Das war eine ungeheuerliche Erklärung. Die
Mönche würden entsetzt sein. Damit war jede Unterstützung dahin, die Murdo im
Kapitel vielleicht gehabt hatte.
    Godwyn bemerkte
nichts dazu, doch Roland schaute ihn fragend an. »Hast du etwas dazu zu sagen,
Mesner?«
    »Ich bin sicher,
der Friar wollte damit nicht sagen, dass die Priorei von Kingsbridge sich in
weltlichen oder anderen Dingen dem Grafen von Shiring unterwerfen sollte —
oder, Murdo?«
    »Ich habe gesagt,
was ich gesagt habe«, erwiderte

Weitere Kostenlose Bücher