Die Tore der Welt
nachdenklich. »Ich sollte mit deinem Vater darüber reden.«
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KAPITEL 26
Ralph Fitzgerald
war mit sich und der Welt zufrieden, als er nach einem Jagdtag mit der
Gefolgschaft von Graf Roland nach Earlscastle zurückkehrte.
Sie ritten über die
Zugbrücke wie eine anrückende Armee: Ritter, Junker und Hunde. Es nieselte
leicht — ein kühles Willkommen für Männer und Tiere, die fiebrig, müde und
zufrieden waren. Sie hatten mehrere vom Sommer fette Hirschkühe erlegt, die ein
gutes Mahl abgeben würden; dazu einen großen, alten Hirsch, dessen Fleisch
jedoch zu zäh war, sodass es den Hunden vorgeworfen würde; die Männer hatten
den Hirsch nur wegen seines prachtvollen Geweihs erlegt.
Die Männer stiegen
in der Vorburg ab, dem unteren Kreis innerhalb des in Form einer Acht
verlaufenden Grabens. Ralph sattelte Griff ab, murmelte ihm ein paar
Dankesworte ins Ohr, gab ihm eine Karotte und reichte die Zügel einem
Stallburschen, der das Tier abreiben sollte. Küchenjungen schleppten die
blutigen Kadaver des erlegten Rotwilds in die Küche. Laut erinnerten sich die
Männer noch einmal der Ereignisse des Tages. Sie prahlten, spotteten und
lachten. Sie erzählten vom wilden Galopp über Wiesen und durch Wälder, von
tückischen Bachläufen und gefährlichen Abhängen und davon, wie oft sie dem
Unglück nur um Haaresbreite entkommen waren. Ralphs Nase füllte sich mit einem
Geruch, den er liebte: einer Mischung aus Pferdeschweiß, nassen Hunden, Leder
und Blut.
Ralph fand sich
neben Herrn William von Caster wieder, dem älteren Sohn des Grafen. »Das war
eine großartige Jagd«, sagte er.
»Fantastisch«,
pflichtete William ihm bei, zog seine Kappe aus und kratzte sich den kahler
werdenden Kopf. »Mir tut es nur leid, dass wir den alten Bruno verloren haben.«
Bruno, der Leithund
der Meute, hatte ein paar Augenblicke zu früh zum tödlichen Angriff angesetzt.
Als der Hirsch zu erschöpft gewesen war, um noch weiter zu fliehen, und sich in
todesmutiger Kampfeswut zu den Hunden umgedreht hatte, die mächtigen Schultern
von Blut bedeckt, war Bruno ihm an die Kehle gesprungen; doch in wilder
Verzweiflung hatte der Hirsch den Kopf gesenkt, den kräftigen Hals geschwungen
und den weichen Bauch des Hundes mit seinem Geweih aufgespießt — ein letzter
Triumph, denn nur wenige Augenblicke später hatten die anderen Hunde ihn
zerrissen.
Im Todeskampf
hatten Brunos Eingeweide sich um das Geweih gewickelt wie ein verknotetes Tau, und
William hatte ihn von seinen Qualen erlöst, indem er ihm die Kehle
durchgeschnitten hatte.
»Bruno war ein
tapferer Hund«, sagte Ralph und legte William mitfühlend die Hand auf die
Schulter.
»Tapfer wie ein
Löwe«, pflichtete William ihm bei.
In diesem Moment
beschloss Ralph, über seine Zukunft zu sprechen. Eine bessere Gelegenheit würde
er so bald nicht bekommen.
Ralph war nun schon
seit sieben Jahren Rolands Mann; er war mutig und stark, und er hatte seinem
Herrn nach dem Brückeneinsturz das Leben gerettet — und doch hatte man ihn noch
nicht befördert: Er war noch immer Junker. Aber was sollte er denn noch alles
tun, um endlich die ersehnte Anerkennung zu finden?
Am gestrigen Tag
hatte Ralph zufällig seinen Bruder in einer Schänke an der Straße von Kingsbridge
nach Shiring getroffen.
Merthin war auf dem
Weg zum Steinbruch der Priorei gewesen und hatte viele Neuigkeiten zu berichten
gehabt: Er würde die schönste Brücke in ganz England bauen, würde reich und
berühmt werden, und ihre Eltern würden stolz auf ihn sein. Das alles hatte
Ralph noch trübsinniger gestimmt.
Ihm fiel nichts
ein, wie er sich vorsichtig an das Thema herantasten sollte, über das er mit
Herrn William sprechen wollte; also stürzte er sich mitten ins kalte Wasser.
»Es ist nun drei Monate her, seit ich Eurem Vater in Kingsbridge das Leben
gerettet habe.«
»Diese Ehre nehmen
mehrere Leute für sich in Anspruch«, entgegnete William. Der harte Ausdruck,
der plötzlich auf seinem Gesicht erschien, erinnerte Ralph an Graf Roland.
»Ich habe ihn aus
dem Wasser gezogen.« »Und Matthew Barber hat seinen Kopf zusammengeflickt, die
Nonnen haben seine Verbände gewechselt, und die Mönche haben für ihn gebetet.
Doch es war Gott, der ihm das Leben gerettet hat.« »Amen«, sagte Ralph.
»Nur … Ich habe
auf irgendeine Gunst gehofft … « »Meinem Vater kann man nur schwer gefallen.«
Williams Bruder Richard stand in der Nähe. Sein
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