Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
spitzfindig. Aber er, Godwyn,
war Anthonys Schützling, und er hatte darauf vertraut, dass sein Onkel ihn zu
guter Letzt doch noch unterstützen würde. Dass Anthony sich rund heraus
geweigert hatte, schockierte ihn.
    Godwyn fragte sich,
wer die Priorin wohl noch um Unterstützung gebeten hatte. Von den
sechsundzwanzig Mönchen in der Priorei waren sechs ungefähr in Godwyns Alter:
Es könnte jeder von ihnen sein. In der Küche half der zweite Kellermeister,
Theodoric, dem Koch. Könnte er Godwyns Rivale um das Geld der Priorin sein?
    Godwyn beobachtete,
wie Theodoric die Gans auf einen Teller legte und eine Schüssel Apfelsoße dazu
stellte. Theodoric war klug genug zum Studieren. Er könnte durchaus ein
Konkurrent sein.
    Godwyn trug das
Essen ins Haus des Priors zurück. Er machte sich Sorgen. Falls Cecilia
beschließen sollte, Theodoric zu helfen, dann war er mit seinem Latein am Ende.
Für einen solchen Fall hatte er nicht voraus geplant.
    Godwyns größter
Wunsch war es, eines Tages Prior von Kingsbridge zu werden. Er war sicher, das
Amt besser ausfüllen zu können als Anthony. Und falls er ein erfolgreicher
Prior war, würde er vielleicht noch weiter aufsteigen: Bischof, Erzbischof,
womöglich gar Ratgeber des Königs. Godwyn hatte nur eine vage Vorstellung
davon, was er mit solch einer Macht anfangen würde, aber er war fest davon
überzeugt, dass ihm im Leben eine gehobene Stellung gebührte. Allerdings gab es
nur zwei Wege zu diesem Ziel. Der eine war die adelige Geburt, der andere
Bildung. Godwyn stammte aus einer Familie von Wollhändlern: Seine einzige
Hoffnung war die Universität. Und dafür brauchte er Geld.
    Godwyn richtete das
Essen auf dem Tisch an. Cecilia fragte gerade: »Aber wie ist der König
gestorben?«
    »An einem Sturz«,
antwortete Anthony.
    Godwyn tranchierte
die Gans. »Darf ich Euch ein wenig von der Brust geben, Ehrwürdige Mutter?«
    »Ja, bitte. An
einem Sturz?«, fragte sie skeptisch. »Bei Euch klingt das, als wäre der König
ein sabbernder alter Mann gewesen. Er war erst dreiundvierzig!«
    »Das sagen
zumindest seine Wärter.« Seit seiner Absetzung war der ehemalige König in
Berkeley Castle gefangen gewesen, ein paar Tagesritte von Kingsbridge entfernt.
    »Ah, ja, seine
Wärter«, sagte Cecilia. »Mortimers Männer.« Sie missbilligte die Handlungen von
Roger Mortimer, dem Grafen von March. Er hatte nicht nur die Rebellion gegen
Edward II angeführt, sondern auch dessen Frau, Königin Isabella, verführt.
    Sie begannen zu
essen. Godwyn fragte sich, ob sie wohl etwas für ihn übrig lassen würden.
    Anthony sagte zu
Cecilia: »Ihr klingt, als würdet Ihr etwas Finsteres vermuten.«
    »Natürlich nicht,
aber … es gibt Gerede. Es heißt, dass … « »Dass er ermordet worden sei? Ich
weiß. Aber ich habe den Leichnam mit eigenen Augen gesehen, nackt. Es gab
keinerlei Spuren von Gewalteinwirkung.« Godwyn wusste, dass er die beiden nicht
unterbrechen sollte, doch er konnte nicht widerstehen. »Gerüchten zufolge hat
jeder im Dorf Berkeley die Schmerzensschreie des Königs gehört, als er
gestorben ist.« Anthony schaute ihn streng an. »Wenn ein König stirbt, gibt es
immer Gerüchte.« »Dieser König ist nicht einfach nur gestorben«, sagte Cecilia.
»Zuerst ist er vom Parlament abgesetzt worden. So etwas hat es noch nie zuvor
gegeben.«
    Anthony senkte die
Stimme. »Die Gründe waren schwerwiegend.
    Da waren Sünden von
… Unreinheit.« Der Prior drückte sich bewusst rätselhaft aus, doch Godwyn
wusste genau, was er meinte.
    Edward hatte
»Favoriten« gehabt, junge Männer, denen er auf widernatürliche Art zugeneigt
gewesen war. Dem ersten, Peter Gaveston, hatte er so viel Macht und Privilegien
verliehen, dass er damit die Eifersucht und den Groll der Barone weckte, und zu
guter Letzt hatte man Gaveston wegen Hochverrats hingerichtet. Doch Gaveston
waren andere gefolgt. Es sei kein Wunder gewesen, sagten die Leute, dass die
Königin sich einen Liebhaber genommen habe.
    »Ich kann so etwas
einfach nicht glauben«, sagte Cecilia, die eine leidenschaftliche Königstreue
war. »Es mag ja der Wahrheit entsprechen, dass Gesetzlose im Wald sich solch
verkommenen Praktiken hingeben, aber ein Mann von königlichem Blut könnte nie
so tief sinken. Gibt es noch mehr von dieser Gans?«
    »Ja«, antwortete
Godwyn und verbarg seine Enttäuschung. Er schnitt das letzte Fleisch von dem
Vogel und legte es der Priorin vor.
    Anthony

Weitere Kostenlose Bücher