Die Tore der Welt
sagte: »Wenigstens fordert jetzt
niemand den jungen König heraus.« Der Sohn von Edward II und Königin Isabella
war als Edward III. Gekrönt worden.
»Er ist vierzehn
Jahre alt und von Mortimer auf den Thron gesetzt worden«, sagte Cecilia. »Wer
wird da wohl der wahre Herrscher sein?«
»Der Adel ist froh,
endlich wieder Sicherheit und Beständigkeit zu haben.« »Besonders Mortimers
Kumpane.«
»Wie zum Beispiel
Graf Roland von Shiring, meint Ihr?« »Er hat heute geradezu überschwänglich
gewirkt.« »Ihr wollt damit doch wohl nicht sagen … «
»Dass er etwas mit
dem ›Sturz‹ des Königs zu tun hatte? Sicher nicht.« Die Priorin aß das
letzte Stück Fleisch. »Solch einen Gedanken auszusprechen ist gefährlich —
selbst unter Freunden.«
»In der Tat.«
Es klopfte an der
Tür, und Saul Whitehead kam herein. Er war genauso alt wie Godwyn. Könnte er
vielleicht der Rivale sein? Saul Whitehead war klug und fähig, und er genoss
den großen Vorteil, mit dem Grafen von Shiring verwandt zu sein; doch Godwyn bezweifelte, dass er den Ehrgeiz halte, nach Oxford zu gehen. Saul war fromm und
schüchtern, jene Art von Mensch, für den Demut keine Tugend war, da er sie von
Geburt an besaß. Aber alles war möglich.
»Ein Ritter ist mit
einer Schwertwunde ins Hospital gekommen«, berichtete Saul.
»Interessant«,
sagte Anthony, »aber wohl kaum wichtig genug, um den Prior und die Priorin beim
Essen zu stören.«
Saul schaute
verängstigt drein. »Bitte … Bitte, verzeiht mir, Vater Prior«, stammelte er.
»Aber es gibt da einige Unstimmigkeiten, was die Behandlung betrifft.«
Anthony seufzte.
»Nun, die Gans ist gegessen«, sagte er und stand auf.
Cecilia ging mit
ihm hinaus, und Godwyn und Saul folgten ihnen.
Sie betraten die
Kathedrale am nördlichen Querschiff, gingen mitten hindurch und am Südschiff
wieder hinaus, durch den Kreuzgang und ins Hospital. Wie es seinem Rang
gebührte, lag der verwundete Ritter auf dem Lager, das dem Altar am nächsten
war.
Prior Anthony stieß
unwillkürlich ein überraschtes Schnaufen aus. Einen Augenblick lang zeigte er
Entsetzen und Angst. Aber er fasste sich rasch wieder und machte ein
ausdrucksloses Gesicht.
Cecilia entging
jedoch nichts. »Ihr kennt diesen Mann?«, fragte sie Anthony.
»Ich glaube ja. Das
ist Sir Thomas Langley, einer der Männer des Grafen von Monmouth.«
Thomas Langley war
ein gut aussehender Mann in den Zwanzigern, breitschultrig und mit langen
Beinen. Er war bis zur Hüfte nackt, und seine kräftige Brust war mit Narben
früherer Kämpfe übersät. Er sah bleich und erschöpft aus.
»Er ist auf der
Straße überfallen worden«, erklärte Saul. »Es ist ihm gelungen, die Angreifer
zurück zu schlagen, doch dann musste er sich über eine Meile in die Stadt
schleppen. Er hat viel Blut verloren.«
Der linke Unterarm
des Ritters war vom Handgelenk bis zum Ellbogen aufgeschlitzt; es war ein
sauberer Schnitt, offenbar von einem scharfen Schwert.
Der oberste Arzt
des Klosters, Bruder Joseph, stand neben dem Verletzten. Joseph war Mitte
dreißig, ein kleiner Mann mit großer Nase und schlechten Zähnen. Er sagte: »Die
Wunde sollte offen gelassen und mit einer Salbe behandelt werden, um sie zum
Eitern zu bringen. Auf diese Weise werden die üblen Säfte vertrieben, und die
Wunde wird von innen heraus heilen.«
Anthony nickte.
»Und? Wo ist die Unstimmigkeit?« »Matthew Barber hat eine andere Idee.« Matthew
war ein Barbier und Bader aus der Stadt. Bis jetzt hatte er sich ehrerbietig im
Hintergrund gehalten, doch nun trat er vor und hielt eine Ledermappe mit seinen
teuren, scharfen Messern in der Hand. Er war ein kleiner, dünner Mann mit
leuchtend blauen Augen und ernstem Gesichtsausdruck.
Anthony ignorierte
Matthew und fragte Joseph: »Was tut der denn hier?« »Der Ritter kennt ihn und
hat nach ihm geschickt.«
Anthony sprach zu
Thomas: »Wenn Ihr geschlachtet werden wollt, warum seid Ihr dann ins Hospital
der Priorei gekommen?« Der Hauch eines Lächelns huschte über das blasse Gesicht
des Ritters, doch er schien zu müde zu sein, um zu antworten.
Nun meldete sich
Matthew mit überraschendem Selbstvertrauen zu Wort. Offenbar schreckte ihn
Anthonys Geringschätzung keineswegs ab. »Auf dem Schlachtfeld habe ich schon
viele Wunden wie diese gesehen, Vater Prior«, sagte er. »Die beste Behandlung
ist die einfachste: erst die Wunde mit warmem Wein auswaschen, dann nähen und
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