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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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hindern. Ich habe ihn nach Hause
geschleift, als er wegzulaufen versuchte. Und jetzt werde ich seinen Sohn aufknüpfen
lassen.
    Wulfric war
schwerer als früher, aber es schadete ihm nicht. In seinem ergrauten Bart war
immer noch die lange Narbe der Schwertwunde zu erkennen, die er Ralph
verdankte. Sein Gesicht war faltig und wettergegerbt. Anders als Gwenda, die
wütend wirkte, war Wulfric von Trauer erfüllt. Während die Bauern von Oldchurch
aussagten, wie Sam Jonno mit einem Spaten aus Eichenholz getötet hatte,
blitzten Gwendas Augen vor Trotz, aber Wulfrics breite Stirn zerfurchte sich
vor Qual.
    Der Sprecher der
Geschworenen fragte, ob Sam um sein Leben habe fürchten müssen.
    Ralph war
verstimmt. Die Frage deutete an, es könnte eine Ausflucht für den Mörder geben.
    Ein dürrer Bauer
mit nur einem Auge antwortete. »Nein, vor dem Vogt hatte er keine Angst. Aber
vor seiner Mutter hat er gezittert.« Die Menge lachte leise.
    Der Sprecher
fragte, ob Jonno den Angriff herausgefordert habe, eine weitere Frage, die
Ralph störte, weil sie auf Sympathien für Sam hindeutete.
    »Herausgefordert?«,
fragte der Einäugige. »Er hat ihm nur mit dem Fußeisen ins Gesicht geschlagen —
wenn Ihr das eine Herausforderung nennen wollt… « Die Zuhörer lachten laut.
    Wulfric wirkte
verstört. Wie können sich diese Leute amüsieren, schien seine Miene zu fragen,
wenn das Leben meines Sohnes auf dem Spiel steht?
    Ralphs Besorgnis
wuchs. Der Sprecher schien ihm eher Sams Partei zu ergreifen.
    Sam wurde in den
Zeugenstand gerufen, und Ralph bemerkte, dass der junge Mann Wulfric stärker
ähnelte, sobald er sprach. Seine Art, den Kopf zu neigen, und eine Gebärde
ließen augenblicklich an Wulfric denken. Sam erklärte, wie er angeboten habe,
sich am nächsten Morgen mit Jonno auseinander zu setzen, woraufhin Jonno versucht
habe, ihm das Fußeisen anzulegen.
    Ralph sprach den
Richter mit leiser Stimme an. »Das macht überhaupt keinen Unterschied«, sagte
er mit mühsam unterdrückter Entrüstung. »Ob er nun Angst hatte, ob er
herausgefordert wurde, ob er ein Treffen am nächsten Tag anbot.«
    Sir Lewis erwiderte
nichts.
    Ralph fuhr fort:
»Es ist eine Tatsache, dass er ein Landflüchtiger ist und den Mann getötet hat,
der ihn zurück holen sollte.« »Das hat er gewiss getan«, sagte Sir Lewis
zurückhaltend. Ralph blickte die Zuschauer an, während die Geschworenen Sam
vernahmen. Merthin saß mit seiner Frau in der Menge. Ehe Caris Nonne geworden
war, hatte sie sich gern modisch gekleidet, und diese Gewohnheit war wieder zum
Vorschein gekommen, nachdem ihre Gelübde aufgehoben worden waren. Heute trug
sie ein Kleid aus zwei kontrastierenden Stoffen, einer blau, der andere grün,
einen pelzbesetzten Mantel aus Kingsbridger Scharlach und einen kleinen runden
Hut. Ralph erinnerte sich, dass Caris und Gwenda als Kinder Freundinnen gewesen
waren. Beide waren an dem Tag zugegen gewesen, als Sir Thomas Langley im Wald
zwei Soldaten der Königin getötet hatte. Merthin und Caris würden Gwenda
zuliebe hoffen, dass Sam Gnade widerfuhr. Aber nicht, wenn ich ein Wörtchen
mitzureden habe, dachte Ralph.
    Caris‘ Nachfolgerin
als Priorin, Mutter Joan, war ebenfalls im Saal, vermutlich, weil das Tal der
Outhen dem Nonnenkloster gehörte und dieses daher der rechtswidrige Dienstherr
Sams war. Joan sollte gleich neben Sam stehen und mit ihm verurteilt werden,
dachte Ralph; doch als er dem Blick der Priorin begegnete, sah sie ihn so
anklägerisch an, als denke sie, er sei mehr schuld an dem Mord als sie.
    Der Prior von
Kingsbridge war nicht gekommen. Sam war der Neffe Prior Philemons, doch
Philemon wollte wohl nicht darauf aufmerksam machen, dass er der Onkel eines
Mörders war. Früher einmal hatte Philemon eine schützende Hand über seine
kleine Schwester gehalten, erinnerte sich Ralph; doch vielleicht war dieser
Drang den Jahren zum Opfer gefallen.
    Dafür war Sams
Großvater zugegen, der übel beleumdete Joby, ein weißhaariger Greis, gebeugt
und zahnlos. Weshalb war er gekommen? Seit Jahren lag er mit Gwenda im Streit,
und es hätte ihm nicht ähnlich gesehen, wenn er große Zuneigung gezeigt hätte.
Wahrscheinlich wollte er den Leuten ein paar Münzen aus den Börsen stehlen,
während sie vom Prozess gefesselt waren.
    Sam verließ den
Zeugenstand, und Sir Lewis sprach kurz. Seine Zusammenfassung weckte Ralphs
Zufriedenheit. »War Sam Wigleigh ein Landflüchtiger?«,

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