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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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ihrem Kummer und versuchte es noch einmal. »Wenn du ihn besiegt hast, dann
ist dein Werk doch getan, oder?«, wandte er ein. »Also lass den Jungen gehen.
Bitte den König um Gnade.« »Nein. Ich möchte, dass Wulfric genau so bleibt, wie
er ist.« Merthin wünschte, er hätte seinen Bruder nicht aufgesucht. Wenn Ralph
unter Druck stand, brach stets das Schlimmste in ihm hervor. Merthin fühlte
sich von Ralphs Rachsucht und Niedertracht abgestoßen. Er verspürte den
plötzlichen Wunsch, nie wieder mit seinem Bruder zu sprechen. Das Gefühl war
ihm vertraut; er empfand es nicht zum ersten Mal. Dennoch traf es ihn immer
wieder wie ein Schock, wenn er daran erinnert wurde, wie Ralph wirklich war.
    Merthin wandte sich
ab. »Nun, ich musste es versuchen«, sagte er. »Lebe wohl.«
    Ralph wurde
leutselig. »Komm zum Abendessen in die Burg«, sagte er. »Der Sheriff hält guten
Tisch. Bring Caris mit. Wir sollten uns einmal richtig unterhalten. Philippa
ist bei mir — du magst sie doch, oder?«
    Merthin hatte nicht
die Absicht, der Einladung zu folgen. »Lass mich mit Caris sprechen«, sagte er.
Merthin wusste genau, dass Caris eher mit Luzifer zu Abend gegessen hätte als
mit Ralph.
    »Vielleicht sehen
wir uns dann später.« Merthin entkam.
    Er kehrte in den
Schankraum zurück. Caris und Gwenda blickten ihn erwartungsvoll an, als er die
Stube durchquerte. Er schüttelte den Kopf. »Ich habe mein Bestes versucht«,
sagte er. »Es tut mir leid.«
     
    Gwenda hatte nichts
anderes erwartet. Sie war enttäuscht, aber keineswegs überrascht. Sie hatte das
Gefühl gehabt, es zunächst mit Merthins Hilfe versuchen zu müssen, weil das
andere Mittel, das ihr verblieb, erheblich drastischer war.
    Pflichtschuldig
dankte sie Merthin und verließ das Gasthaus. Sie richtete ihre Schritte zu der
Burg auf dem Hügel hin. Wulfric und Davey waren in eine billige Schänke in der
Vorstadt gegangen, wo sie sich für einen Farthing satt essen konnten. Wulfric
verstand sich auf solche Dinge ohnehin nicht. In Verhandlungen mit Ralph und
seinesgleichen waren seine Kraft und seine Ehrbarkeit nutzlos.
    Außerdem durfte
Wulfric nicht einmal ahnen, wie sie Ralph umzustimmen hoffte.
    Auf dem Weg
hügelaufwärts hörte Gwenda Pferde hinter sich.
    Sie blieb stehen
und wandte sich um. Es waren Ralph und sein Gefolge mit dem Richter. Reglos
stand Gwenda da und sah Ralph scharf an, bis er ihren Blick erwidern musste,
als er an ihr vorbeiritt.
    Er wusste nun, dass
sie kam, um ihn zu sprechen.
    Einige Minuten
später kam sie auf den Hof der Burg, aber der Zugang zum Haus des Sheriffs war
versperrt. Sie gelangte in den Vorraum des Hauptgebäudes und sprach mit dem
Hausmeier. »Ich bin Gwenda aus Wigleigh«, sagte sie. »Bitte teilt Graf Ralph
mit, dass ich ihn unter vier Augen sprechen muss.«
    »Ach was«, sagte
der Hausmeier. »Sieh dich um: Jeder hier möchte den Grafen, den Richter oder
den Sheriff sprechen.«
    Zwanzig bis dreißig
Menschen standen auf dem Hof. Einige hielten Pergamentrollen in der Hand.
    Gwenda war bereit,
ein schreckliches Risiko einzugehen, um ihren Sohn vor dem Galgen zu bewahren —
aber sie würde keine Gelegenheit erhalten, wenn es ihr nicht gelang, Ralph vor
dem Morgengrauen zu sprechen.
    »Wie viel?«, fragte
sie den Meier.
    Er blickte sie
etwas weniger respektlos an. »Ich kann nicht versprechen, dass er dich
empfängt.«
    »Ihr könnt ihm
meinen Namen nennen.« »Zwei Shilling. Vierundzwanzig Silberpennys.« Das war
viel Geld, doch Gwenda trug ihre gesamten Ersparnisse in der Börse bei sich.
Dennoch war sie noch nicht bereit, ihm das Geld zu geben. »Wie heiße ich?«,
fragte sie.
    »Das weiß ich
nicht.«
    »Ich habe es gerade
gesagt. Wie wollt Ihr Graf Ralph meinen Namen nennen, wenn Ihr ihn schon
vergessen habt?«
    Er zuckte mit den
Schultern. »Sag ihn mir halt noch mal.« »Gwenda aus Wigleigh.« »Also gut, ich
nenne ihn ihm.«
    Gwenda tauchte die
Hand in die Börse, zog eine Handvoll kleine Silbermünzen hervor und zählte
vierundzwanzig davon ab. Vier Wochen müsste ein Knecht dafür schuften. Sie
dachte an die Knochenarbeit, die sie geleistet hatte, um das Geld zu verdienen.
Und nun bekam es dieser träge, hochnäsige Türsteher praktisch fürs Nichtstun.
    Der Hausmeier
streckte die Hand aus.
    Sie fragte: »Wie
heiße ich?«
    »Gwenda.«
    »Gwenda von wo?«
    »Wigleigh.« Er
fügte hinzu: »Der Mörder von heute Morgen kommt doch auch daher, oder?«
    Sie

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