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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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blieben.
    Sheriff Bernard
führte Ralph in sein Gemach. Der Sheriff war der Vertreter des Königs in der
Grafschaft und ebenso für das Eintreiben der Steuern verantwortlich wie für das
Gerichtswesen. Das Amt war lukrativ, und die Bezahlung wurde durch Geschenke,
Bestechungsgelder und Anteile an den verhängten Geldstrafen und verfallenen
Kautionen kräftig aufgestockt. Zwischen Graf und Sheriff konnte es leicht
Reibungen geben: Der Graf bekleidete den höheren Rang, aber in der Ausübung
seiner Befugnisse war der Sheriff unabhängig. Bernard, ein reicher Wollhändler
etwa im gleichen Alter wie Ralph, behandelte den Grafen mit einer Mischung aus
Anbiederung und Respekt, der sein Unbehagen anzumerken war.
    In der Wohnung, die
man für sie vorbereitet hatte, erwartete Philippa ihren Gemahl. Das lange graue
Haar war zu einer komplizierten Frisur hochgesteckt, und sie trug einen teuren
Mantel in stumpfen Grau- und Brauntönen. Ihr hochmütiges Gehabe hatte sie einst
zu einer stolzen Schönheit gemacht, doch heute wirkte sie nur noch wie eine
verdrießliche alte Frau. Ralph erinnerte sie an seine Mutter.
    Er begrüßte seine
Söhne Gerry und Roley. Er wusste mit Kindern nicht gut umzugehen und hatte von
seinen Söhnen nie viel gesehen: Als sie noch klein gewesen waren, hatten sich
natürlich Frauen um sie gekümmert, und jetzt besuchten sie die Klosterschule.
Er redete sie stets nur kurz angebunden an, als wären sie Pagen in seinen
Diensten, gab ihnen im einen Moment Befehle und neckte sie freundlich im
nächsten. Wenn sie älter waren, würde er unbefangener mit ihnen reden können.
Aber es schien keine Rolle zu spielen: Was er auch tat, sie betrachteten ihn
als Helden.
    »Morgen werdet ihr
im Gerichtssaal neben dem Richtertisch sitzen«, sagte er. »Ich möchte euch
zeigen, wie Recht gesprochen wird.«
    Gerry, der Ältere,
fragte: »Dürfen wir uns heute Nachmittag auf dem Markt umsehen?«
    »Ja — Dickie soll
euch begleiten.« Dickie war einer der Diener aus Earlscastle. »Hier, da habt
ihr ein bisschen Geld.« Er gab beiden eine Handvoll Silberpennys.
    Die Jungen
verließen den Raum. Ralph setzte sich abseits von Philippa. Er berührte sie
niemals und war stets auf Abstand bedacht, damit es nicht durch Zufall geschah.
Er war sich sicher, dass sie sich wie eine alte Frau kleidete und verhielt,
damit er sich nicht zu ihr hingezogen fühlte. Außerdem ging sie jeden Tag in
die Kirche.
    Für zwei Menschen,
die einmal zusammen ein Kind gezeugt hatten, herrschte zwischen ihnen ein
merkwürdiges Verhältnis, doch das ging seit Jahren so und würde sich niemals
ändern. Wenigstens besaß Ralph dadurch die Freiheit, Dienstmädchen zu befingern
und sich mit Schankmägden zu vergnügen.
    Sie mussten jedoch
über die Kinder sprechen. Philippa vertrat klare Ansichten, und im Laufe der
Jahre hatte Ralph gelernt, dass es einfacher war, die Dinge mit ihr zu bereden,
als einseitige Entscheidungen zu treffen und sich mit ihr streiten zu müssen,
falls sie ihr missfielen.
    Ralph sagte:
»Gerald ist alt genug, um Knappe zu werden.« »Das meine ich auch«, antwortete
Philippa.
    »Gut!«, rief Ralph
überrascht — er hatte mit einer Auseinandersetzung gerechnet.
    »Ich habe schon mit
David Monmouth über ihn gesprochen«, fügte sie hinzu.
    Daher ihre
Bereitwilligkeit: Sie war ihm einen Schritt voraus. »Aha«, sagte er, um Zeit zu
gewinnen.
    »David ist
einverstanden und schlägt vor, dass wir ihn zu ihm schicken, sobald er vierzehn
ist.«
    Nur war Gerry
gerade erst dreizehn geworden. Philippa zögerte seinen Aufbruch also um fast
ein Jahr hinaus. Doch das war nicht Ralphs Hauptsorge. David, Graf von
Monmouth, war mit Philippas Tochter Odila verheiratet. »Die Zeit als Knappe
soll einen Jungen zum Mann machen«, erwiderte Ralph. »Aber Gerry wird es bei David
zu leicht haben. Seine Stiefschwester liebt ihn — sie wird ihn wahrscheinlich
bemuttern.« Nach kurzem Nachdenken fügte er hinzu: »Ich nehme an, deshalb
möchtest du ihn dorthin schicken.«
    Sie stritt es nicht
ab, sondern entgegnete: »Ich dachte, du würdest gern dein Bündnis mit dem
Grafen von Monmouth stärken.«
    Da hatte sie nicht
unrecht. David war Ralphs wichtigster Bundesgenosse innerhalb des Adels. Wenn
Gerry im Haushalt von Monmouth Knappe wurde, knüpfte es ein weiteres Band
zwischen den beiden Grafschaften. David fraß vielleicht sogar einen Narren an
dem Jungen. Später kamen dann womöglich Davids

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