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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Lichtung, wo ich den Krapp anbaue. So ist es letzten Endes losgegangen.«
    »Und wie lange geht
es schon?«
    »Über ein Jahr.«
    »Dann ist es
ernst.«
    »Ich möchte sie
heiraten.«
    »Das freut mich so
sehr.« Sie sah ihn liebevoll an. »Du bist zwar erst zwanzig, aber wenn du die Richtige
gefunden hast, ist das alt genug.«
    »Ich bin froh, dass
du es so siehst.« »Aus welchem Dorf ist sie?« »Von hier, aus Wigleigh.«
    »Ach?« Gwenda war
erstaunt. Sie hätte nicht sagen können, welches Mädchen aus Wigleigh infrage
käme. »Wer denn?« »Mutter, es ist Amabel.« »Nein!«
    »Schrei doch
nicht.«
    »Nicht Annets
Tochter!«
    »Du darfst dich
jetzt nicht ärgern.«
    »Nicht ärgern!«
Gwenda kämpfte um Ruhe. Ihr war, als hätte sie einen Schlag ins Gesicht
bekommen. Sie atmete mehrmals tief durch. »Hör mir zu«, sagte sie. »Seit über
zwanzig Jahren liegen wir mit dieser Familie im Streit. Diese dumme Kuh von
Annet hat deinem Vater das Herz gebrochen und ihn hinterher nie in Ruhe gelassen.«
    »Es tut mir leid,
aber das ist alles Vergangenheit.« »Das stimmt nicht — Annet tändelt mit deinem
Vater bei jeder Gelegenheit, die sie bekommt.« »Das ist dein Problem, nicht
unseres.« Gwenda erhob sich. Das Nähzeug rutschte ihr vom Schoß. »Wie kannst du
mir das antun? Diese Dirne würde zu unserer Familie gehören! Meine Enkel wären
auch ihre Enkel. Sie könnte in diesem Haus ein und aus gehen und auf ihre
kokette Art deinen Vater zum Narren machen und mich dann auslachen.« »Ich
heirate ja nicht Annet.«
    »Amabel wird ebenso
schlimm sein. Sieh sie dir an — sie ist genau wie ihre Mutter!«
    »Das stimmt nicht —«
    »Das kannst du mir
nicht antun! Ich verbiete es dir!« »Du kannst es mir nicht verbieten, Mutter.«
»O doch, das kann ich — du bist noch zu jung.« »Das bleibt nicht immer so.«
    Von der Tür hörten
sie Wulfrics Stimme. »Was ist das für ein Geschrei?« »Davey sagt, er will
Annets Tochter heiraten — aber das erlaube ich nicht.« Gwendas Stimme
überschlug sich. »Nie und nimmer!«
     
    Graf Ralph
überraschte Nathan Reeve, als er sagte, er wolle sich Daveys eigenartige
Pflanze selbst ansehen. Nate hatte die Sache beiläufig erwähnt, als er ohnehin
Earlscastle besuchte. Unerlaubter Anbau im Wald war ein belangloser Verstoß
gegen das Gesetz und wurde normalerweise mit einem Bußgeld geahndet. Nate war
ein oberflächlicher Mensch, dem es nur um Bestechungen und Gewinnanteile ging;
er sah überhaupt nicht, wie tief besessen Ralph von Gwendas Familie war: seinen
Hass auf Wulfric, seine Lust auf Gwenda und nun die Wahrscheinlichkeit, dass er
Sams echter Vater war. Deshalb war Nate überrascht, als Ralph sagte, er wolle
sich die Aussaat ansehen, wenn er das nächste Mal in die Gegend käme.
    An einem schönen
Tag zwischen Ostern und Pfingsten ritt Ralph mit Alan Fernhill von Earlscastle
nach Wigleigh. Als sie das kleine hölzerne Lehnshaus erreichten, sahen sie
gleich die alte Haushälterin Vira, nun grau und gebeugt, aber noch immer
unermüdlich. Sie trugen ihr auf, ein Abendessen zu bereiten, dann suchten sie
Nate auf und folgten ihm in den Wald.
    Ralph erkannte die
Pflanze. Er war kein Bauer, aber er kannte den Unterschied zwischen den
einzelnen Gewächsen, und während seiner Heerzüge hatte er viele Kulturpflanzen
gesehen, die in England von Natur aus nicht vorkamen. Er beugte sich aus dem
Sattel nieder und riss eine Handvoll aus. »Das ist Färberkrapp«, sagte er.
    »Ich habe ihn in
Flandern gesehen. Er wird angebaut, um das Färbemittel zu gewinnen, das nach
ihr Krapprot heißt.«
    Nate sagte: »Davey
behauptete, es wäre ein Kraut namens Vettelwurz, mit dem man Kurzatmigkeit
heilen kann.«
    »Ich glaube, Krapp
hat auch eine heilende Wirkung, aber dafür baut man ihn nicht an. Wie hoch ist
das Bußgeld?«
    »Ein Shilling wäre
das Übliche.«
    »Das reicht nicht.«
    Nate sah nervös
drein. »Wenn man vom Hergebrachten abweicht, weckt man immer Unmut, Mylord. Ich
würde abraten —«
    »Schon gut«, sagte
Ralph. Er trieb sein Pferd an und lenkte es mitten durch die Lichtung, sodass
es die Pflanzen niedertrampelte.
    »Komm schon, Alan,
mach mit«, sagte er. Alan tat es ihm nach, und in engen Kreisen preschten sie
über die Erde, bis kein einziger Stängel mehr stand. Es dauerte nur wenige
Minuten, und alle Pflanzen waren zerstört.
    Ralph sah Nate an,
wie entsetzt der Vogt über die Vergeudung war, auch wenn es sich um

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