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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Disziplinierung, das außergewöhnlich wirksam sein konnte.
    »Nein«, sagte
Ralph. »Dir übertrage ich das Land nicht.« Er grinste. »Du und deine Braut, ihr
sollt Krapp fressen.«
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KAPITEL 87
    Caris musste
vereiteln, dass Philemon Bischof wurde. Er hatte noch nie so einen kühnen
Schachzug versucht, doch dieser war sorgsam vorbereitet, und Philemon besaß
durchaus Aussicht, dass sein Plan aufging. Wäre ihm Erfolg beschieden, hätte er
wieder Gewalt über das Hospital, und es läge in seiner Macht, Caris‘ Lebenswerk
zu zerstören. Doch das wäre noch nicht alles: Philemon würde die engstirnige
Rechtgläubigkeit von einst wieder aufleben lassen und Priester in die Dörfer
schicken, die so hartherzig waren wie er selbst, die Schulen für Mädchen
schließen und gegen den Tanz predigen.
    Bei der Auswahl
eines Bischofs besaß Caris keine Mitsprache, doch es gab Möglichkeiten, Druck
aus zu üben.
    Sie begann bei
Bischof Henri.
    Merthin und sie
reisten nach Shiring, um den Bischof in seinem Palast aufzusuchen. Unterwegs
starrte Merthin jedes dunkelhaarige Mädchen an, das in Sicht kam, und wenn er
keines sah, suchte er mit Blicken den Wald an den Straßenrändern ab. Doch sie
erreichten Shiring, ohne eine Spur von Lolla zu entdecken.
    Der Bischofspalast
stand am Stadtplatz gegenüber der Kirche. Es war kein Markttag, daher war der
Platz leer bis auf das Schafott, das ständig aufgebaut blieb, als Drohung für
alle Gesetzesbrecher in dieser Grafschaft.
    Der Palast war ein
unaufdringlicher Steinbau mit einer Halle und einer Kapelle im Erdgeschoss und
einer Reihe von Büros und Privatgemächern im ersten Stock. Bischof Henri hatte
dem Palast einen Stil aufgeprägt, den Caris für französisch hielt. Jeder Raum
sah wie ein Gemälde aus. Anders als Philemons Palast zu Kingsbridge, wo der
Überfluss an Teppichen und Juwelen an eine Räuberhöhle denken ließ, wirkte das
Haus nicht überladen. Dennoch war etwas angenehm Kunstvolles an allem in Henris
Heim: dem silbernen Leuchter, der so gestellt war, dass er das Licht fing,
welches durch ein Fenster fiel, dem Schimmern eines polierten alten
Eichentisches, den Frühlingsblumen in einem kalten Kamin und dem kleinen Gobelin
an der Wand, der David und Jonathan darstellte.
    Bischof Henri war
kein Feind, aber auch kein echter Verbündeter, sann Caris nervös, während sie
im Saal auf ihn warteten. Er würde vermutlich behaupten, er wolle sich aus den
Streitigkeiten von Kingsbridge heraushalten. Caris dachte jedoch zynisch, dass
er bei jeder Entscheidung, die er treffen musste, unerschütterlich seine
eigenen Belange an die erste Stelle setzte. Er mochte Philemon nicht, aber
womöglich ließ er sich in seiner Entscheidung davon nicht beeinflussen.
    Als Henri herein kam,
folgte ihm wie immer Kanonikus Claude. Beide schienen nicht älter zu werden.
Henri war ein wenig älter als Caris und Claude vielleicht zehn Jahre jünger,
doch beide hatten sie sich etwas Jungenhaftes bewahrt. Caris war bereits
aufgefallen, dass Geistliche oft weniger alterten als Adlige. Vermutlich hing
es damit zusammen, dass die meisten Priester — von einigen berüchtigten
Ausnahmen abgesehen — ihr Leben in Mäßigung verbrachten. Das Fastengebot
erlegte ihnen auf, an Freitagen, allen Feiertagen und während der Fastenzeit
nur Fisch und Gemüse zu essen, und theoretisch durften sie niemals betrunken
werden. Im Vergleich dazu ergingen sich Edelleute in orgiastischem
Fleischverzehr und heldenhaftem Weinkonsum. Vielleicht wurden ihre Gesichter
deshalb faltig, ihre Haut schuppig und ihre Körper gebeugt, während Geistliche
einen längeren Teil ihres stillen, asketischen Lebens rege und in Form blieben.
    Merthin gratulierte
Henri zu seiner Nominierung zum Erzbischof von Monmouth, dann kam er gleich
auf das Thema zu sprechen. »Prior Philemon hat die Arbeiten am Turm stilllegen
lassen.«
    Henri fragte mit
eingeübter Reglosigkeit: »Nennt er einen Grund?« »Es gibt einen Vorwand und
einen Grund«, sagte Merthin. »Der Vorwand lautet fehlerhafte Konstruktion.«
»Und worin besteht der angebliche Fehler?« »Er behauptet, eine achteckige Turmspitze
könne nicht ohne Schalung gebaut werden. Im Prinzip stimmt das zwar, aber ich
habe eine Möglichkeit entdeckt, es zu umgehen.« »Und die wäre …?«
    »Recht einfach. Ich
baue eine runde Turmspitze, die keine Schalung braucht, und verkleide ihr
Äußeres mit einer Schicht aus Mörtel und schmalen

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