Die Tore der Welt
welchen Namen
werdet Ihr ihnen nennen?« »Sagte ich das nicht? Euren Bischof, Henri de Mons.
Ein ausgezeichneter Mann: loyal, vertrauenswürdig, macht nie Schwierigkeiten.«
»Ach duje.«
»Es freut Euch
nicht?« Gregorys aufgeräumte Art verflog, und er zeigte eine scharfe
Wachsamkeit.
Merthin begriff,
weshalb Gregory eigentlich gekommen war: um herauszufinden, wie die Einwohner
von Kingsbridge — die Merthin vertrat — seine Pläne sahen und ob sie sich ihnen
widersetzen würden. Merthin sammelte seine Gedanken. Die Aussicht auf einen
neuen Bischof bedrohte den Turm und das Hospital. »Henri ist der Schlüssel zum
Machtgleichgewicht in dieser Stadt«, sagte er. »Vor zehn Jahren wurde zwischen
den Kaufleuten, dem Mönchskloster und dem Hospital eine Art Waffenstillstand
geschlossen. Als Folge davon gediehen alle drei sehr gut.« Er fügte hinzu, um
an Gregorys — und des Königs — Belange zu appellieren: »Dieser Wohlstand erlaubt
es uns erst, solch hohe Steuern zu zahlen.«
Gregory quittierte
den Hinweis mit einem Neigen des Kopfes.
»Ein Weggang Henris
würde die Stabilität unserer Beziehungen womöglich infrage stellen.«
»Es kommt darauf
an, wer ihm nachfolgt, möchte ich meinen.« »Ganz genau«, sagte Merthin. Kommen
wir zu der Crux, dachte er. »Habt Ihr jemanden im Sinn?«, fragte er.
»Als Kandidat läge
Prior Philemon auf der Hand.« »Nein!« Merthin war entsetzt. »Philemon? Wieso
das?« »Er ist ein standhafter Konservativer, was dem Klerus in diesen Zeiten
von Skepsis und Ketzerei sehr wichtig ist.« »Freilich. Jetzt begreife ich auch,
weshalb er gegen die Leichenöffnung gepredigt hat. Und weshalb er eine Marienkapelle
errichten will.« Ich hätte es vorhersehen müssen, dachte Merthin.
»Und er hat
verlauten lassen, dass er gegen die Besteuerung des Klerus keine Einwände hat —
ein steter Quell der Reibung zwischen dem König und einigen Bischöfen.«
»Philemon plant
schon seit einiger Zeit für diesen Fall.« Merthin war ärgerlich, dass er es
nicht hatte kommen sehen.
»Seit der
Erzbischof erkrankte, nehme ich an.« »Es ist eine Katastrophe.«
»Warum sagt Ihr
das?«
»Philemon ist
streitsüchtig und nachtragend. Sobald er Bischof ist, wird er Kingsbridge mit
ständigen Querelen überziehen. Wir müssen verhindern, dass er das Amt erringt.«
Er sah Gregory in die Augen. »Wieso kommt Ihr, um mich zu warnen?« Kaum hatte
er die Frage gestellt, als er die Antwort wusste. »Ihr wollt Philemon ebenfalls
nicht zum Bischof. Von mir brauchtet Ihr gar nicht zu hören, was für ein
Unruhestifter er ist — Ihr wusstet es bereits. Aber Ihr könnt kein Veto gegen
ihn einlegen, weil er sich beim hohen Klerus bereits Rückhalt zu verschaffen
gewusst hat.« Gregory lächelte nur rätselhaft — was Merthin als Bestätigung
nahm, dass er recht habe.
»Was also soll ich
für Euch tun?«
»Wenn ich an Eurer
Stelle wäre«, sagte Gregory, »würde ich einen anderen Kandidaten suchen, den
Ihr gegen Philemon aufstellen könntet.«
Das also war es.
Merthin nickte nachdenklich. »Darüber muss ich nachdenken«, sagte er.
»Bitte tut das.«
Gregory erhob sich, und Merthin wurde klar, dass das Gespräch beendet war. »Und
lasst mich wissen, was Ihr entscheidet«, fügte Gregory hinzu.
Merthin verließ die
Priorei und kehrte nachdenklich auf Leper Island zurück. Wen konnte er als
Bischof von Kingsbridge vorschlagen? Die Städter waren immer gut mit Erzdiakon
Lloyd zurechtgekommen, doch er war zu alt — wenn man wirklich bewirken konnte,
dass er gewählt wurde, musste man sich vielleicht binnen Jahresfrist die
gleiche Mühe noch einmal machen.
Als er zu Hause
ankam, war ihm noch niemand eingefallen. Er fand Caris in der guten Stube und
wollte ihr gerade berichten, doch sie ergriff als Erste das Wort. Mit bleichem
Gesicht und besorgter Miene stand sie auf und sagte: »Lolla ist wieder weg.«
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KAPITEL 86
Die Priester
nannten den Sonntag einen Tag der Ruhe, doch für Gwenda war er das nie gewesen.
Nach dem Kirchgang am Morgen und dem anschließenden Mittagessen arbeitete sie
mit Wulfric im Garten hinter dem Haus. Es war ein schöner Garten, knapp einen
Morgen groß, mit einem Hühnerstall, einem Birnbaum und einer Scheune. In dem
Gemüsefeld am Rand zog Wulfric Furchen, und Gwenda säte Erbsen aus.
Die Jungen waren in
ein anderes Dorf gegangen, um dort Fußball zu spielen, ihr übliches
Sonntagsvergnügen. Fußball war das
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