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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Gegenstück der Bauern zu den Turnieren des
Adels: eine gespielte Schlacht, in der man manchmal wirklich verletzt wurde.
Gwenda betete nur, dass ihre Jungen heil wieder nach Hause kamen.
    An diesem Tag kehrte Sam früh zurück. »Der
Ball ist geplatzt«, sagte er mürrisch.
    »Wo ist Davey?«,
fragte Gwenda.
    »Er war nicht da.«
    »Ich dachte, er
wäre mit dir gegangen.« »Nein, er geht oft alleine weg.« »Das wusste ich gar
nicht.« Gwenda runzelte die Stirn. »Wohin geht er denn?« Sam zuckte mit den
Schultern. »Das verrät er mir nicht.« Vielleicht trifft er sich mit einem
Mädchen, überlegte Gwenda. Davey war in allem sehr verschlossen. Wenn es ein Mädchen
war, wer konnte sie sein? In Wigleigh gab es nicht viele Jungfern, die in Frage
kamen. Die Überlebenden der Pest hatten rasch neu geheiratet, als wären sie
entschlossen, das Land wieder zu bevölkern; die Mädchen, die seither zur Welt
gekommen waren, waren noch zujung für Davey. Vielleicht traf er sich im Wald
mit jemandem aus dem nächsten Dorf. Solche Stelldicheins waren so verbreitet
wie Herzeleid.
    Als Davey zwei
Stunden später nach Hause kam, sprach Gwenda ihn auf seine Heimlichkeiten an.
Er bestritt gar nicht, dass er sich häufig davonschlich. »Wenn du willst, zeige
ich dir, was ich gemacht habe«, sagte er. »Ich kann es sowieso nicht ewig
geheim halten. Komm mit.«
    Alle begleiteten
sie ihn: Gwenda, Wulfric und Sam. Der Sonntag wurde insoweit eingehalten, als
niemand auf den Feldern arbeitete, und Hundredacre lag verlassen da, während
die vier es in einem frischen Frühlingswind überquerten. Einige Äcker sahen
vernachlässigt aus; noch immer gab es Dörfler, die mehr Land besaßen, als sie
bestellen konnten. Annet zählte zu ihnen — wenn sie keine Feldarbeiter anwerben
konnte, was noch immer schwierig war, half ihr nur ihre achtzehnjährige Tochter
Amabel. Auf ihrem Haferfeld breitete sich das Unkraut aus.
    Davey führte sie
eine halbe Meile weit in den Wald und blieb an einer Lichtung weitab des
ausgetretenen Pfades stehen. »Hier ist es«, sagte er.
    Einen Augenblick
lang wusste Gwenda gar nicht, wovon er sprach. Sie stand am Rande eines
unscheinbaren Fleckens Erde, auf dem zwischen den Bäumen niedrige Pflanzen
wuchsen. Erst als Gwenda die Gewächse genauer betrachtete, bemerkte sie, dass
sie zu einer Art gehörten, die sie noch nie gesehen hatte. Sie hatten einen eckigen
Stiel mit langen, spitzen Blättern, die sich immer zu viert von den Zweigen
abspreizten. Die Art, wie die Gewächse den Boden bedeckt hatten, ließ an eine Kriechpflanze
denken. Ein Haufen entwurzelten Unkrauts am Rand des Feldes zeigte, dass Davey
gejätet hatte. »Was ist das?«, fragte sie.
    »Man nennt es
Krapp. Ich habe die Samen einem Seemann abgekauft, als wir in Melcombe waren.«
    »In Melcombe?«,
fragte Gwenda. »Aber das ist drei Jahre her.« »So lange haben sie gebraucht, um
zu wachsen.« Davey lächelte. »Zuerst hatte ich Angst, sie würden gar nicht
aufgehen. Der Matrose hatte mir gesagt, dass die Pflanzen sandigen Boden
brauchen und leichten Schatten ertragen. Ich habe die Lichtung umgegraben und
die Körner ausgesät, aber im ersten Jahr hatte ich nur drei oder vier zarte
Pflänzchen. Ich dachte schon, ich hätte mein Geld verschwendet. Dann, im
zweiten Jahr, hatten sich die Wurzeln unterirdisch ausgebreitet und trieben
Sprösslinge hoch, und dieses Jahr ist die ganze Lichtung davon bedeckt.« Gwenda
war erstaunt, dass ihr Sohn es so lange vor ihr hatte verborgen halten können.
»Aber was nutzt Krapp?«, fragte sie. »Schmeckt er gut?« Davey lachte. »Nein, er
ist überhaupt nicht essbar. Du gräbst die Wurzeln aus, trocknest sie und mahlst
sie zu einem Pulver, aus dem man ein rotes Färbemittel macht. Es ist sehr
teuer. Madge Webber in Kingsbridge zahlt sieben Shilling für eine Gallone.« Das
war ein erstaunlicher Preis, überlegte Gwenda. Weizen, das teuerste Korn,
brachte gut sieben Shilling pro Scheffel ein, und ein Scheffel entsprach
vierundsechzig Gallonen. »Dann ist Krapp vierundsechzig Mal so wertvoll wie Weizen!«,
rief sie.
    Davey lächelte.
»Deshalb habe ich ihn gepflanzt.« »Deshalb hast du was gepflanzt?«, fragte eine
neue Stimme. Sie alle wandten sich um und erblickten Nathan Reeve, der neben
einem Weißdorn stand, welcher genauso gebeugt und verdreht war wie er. Der Vogt
zeigte ein triumphierendes Grinsen: Er hatte sie auf frischer Tat erwischt.
    Davey war rasch mit

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