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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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»Folge deinem Gewissen. Bitte Gott um Hilfe, und dann triff deine Entscheidung.«
    Ich kämpfte mit mir, betete mit Inbrunst und opferte eine Bienenwachskerze. Ich wartete auf einen himmlischen Fingerzeig, irgendein Zeichen, doch es blieb aus. Und am Ende konnte ich mich einfach nicht dazu durchringen, Konrad Gehorsam zu schwören. »Verzeih mir«, sagte ich zu Elisabeth, »aber ich kann das nicht. Er ist mir zuwider. Irgendwo sitzt etwas Böses in ihm, das spüre ich. Ihr wisst alle, dass es für solch ein Gehorsamsgelübde bedingungsloses Vertrauen braucht. Und das habe ich nicht.«
    Und Elisabeth, so sehr sie sonst gewohnt war, zu verzeihen und zu vergeben, war mir böse. Sie funkelte mich an. »Du hast als Kind geschworen, mir in allem zu folgen, genau wie Guda«, sagte sie und wies anklagend mit dem Finger auf mich. »Und jetzt lässt du mich allein.«
    Das stimmte so nicht. »Wir haben geschworen, uns nie zu verlassen«, sagte ich, »das ist wahr. Aber das bedeutet doch nicht, dass wir immer dasselbe tun müssen. Ich bin doch bei dir, und das werde ich immer sein, auch wenn ich deinen Schwur nicht mitleiste.«
    »Nun gut«, sagte sie, »ich kann dich nicht zwingen.«
    Ich war den Tränen nah. Noch nie hatten wir gestritten. »Bitte verzeih mir«, sagte ich leise. »Ich will dir doch nicht weh tun. Und ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchst.«
    Da umarmte sie mich. »Ich bin dir nicht böse. Nur enttäuscht. Du wirst schon noch sehen, dass du dich in Konrad von Marburg getäuscht hast.«
    Ich hoffte ja, dass ich mich täuschte. Denn zwei Tage später hatte Elisabeth Konrad bereits zum Seelenführer erwählt, zum Lenker und Leiter all ihrer Gedanken und all ihrer Taten. Sie legte den Gehorsamsschwur ab, zusammen mit Guda und Isentrud. Damals ahnte sie noch nicht, wie hoch der Preis war, den sie würde zahlen müssen. Sie war im Zustand der Verzückung, wie im Rausch. Meine Verweigerung des Gelübdes hieß sie zwar nicht gut, aber sie fand sich damit ab. Dennoch – unsere schwesterliche Liebe hatte einen Riss bekommen, von dem ich damals schon ahnte, dass er sich nie mehr ganz würde flicken lassen.
     
    Mir machte das alles sehr zu schaffen. Mein Trost und meine Freude war, dass Heinrich den ganzen Winter über am Hof weilte und mich bei unseren heimlichen Treffen immer wieder seiner Liebe versicherte. »Wenn Ludwig nach Cremona zum Kaiser reitet, will ich ihn überreden, mich zu seinem Stellvertreter zu machen und nicht Elisabeth. Sie ist ja nun in allen Dingen dem Prediger unterworfen, da wird er nicht wollen, dass sie das Land regiert. Und dann wird er sehen, dass ich fähig bin, gute Herrschaft auszuüben.«
    »Und dann gibt er dir Hessen«, ergänzte ich.
    »Und dann könnte ich dich guten Gewissens heimführen«, lachte er.
    Wir hatten ein Ziel.
    Doch die Enttäuschung folgte auf den Fuß. Kurz vor seiner Abreise bestellte Ludwig für die Monate seiner Abwesenheit doch Elisabeth zur Regentin von Thüringen. Ich weinte vor Enttäuschung, und Heinrich sprach tagelang kein Wort. Dann ritt er nach kurzem Abschied mit einigen seiner Freunde davon, um seinen Wittelsbacher Onkel zu besuchen. Er wollte nicht im Land sein, solange Elisabeth die Macht hatte, und ich konnte ihn beinahe verstehen.
    Schließlich brach Ludwig nach Cremona auf, das war am Dienstag nach Oculi, in strömendem Regen. Elisabeth, die noch mit bis auf die Runneburg nach Weißensee geritten war, nahm dort tränenreich von ihm Abschied. Sie hatte Angst vor der verantwortungsvollen Aufgabe, die in der nächsten Zeit vor ihr lag. Ludwig hatte zwar seine Räte und das adelige Gefolge angewiesen, ihr zur Seite zu stehen und ihr in allen Dingen Gehorsam zu leisten, aber dennoch würde es nicht leicht sein, ein Land zu regieren, wenn man eine Frau und noch dazu so jung war. Aber stolz war Elisabeth doch, dass ihr Ehemann solch großes Vertrauen in sie setzte und ihr sogar sein Siegel überließ.
    Konrad von Marburg war noch geblieben, obwohl ihn ein Schreiben des Erzbischofs von Trier erreicht hatte, das ihn in den Norden rief. Heute ist mir klar: Er wollte warten, bis der Landgraf abgeritten war, um Elisabeths Gehorsam mit einer ersten großen Forderung auf die Probe zu stellen. Inzwischen kannte er sie gut genug, um zu wissen, dass sie für ihr Leben gern aß und trank. Dieser Genuss war ihr wichtig. Schon als Kind war sie ein Schleckermaul gewesen, genau wie ich, und diese Vorliebe hatte sich mit den Jahren immer mehr verstärkt. Das

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