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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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wir uns was anderes einfallen. Mit dem gehst du jedenfalls nicht mehr mit.«
    Michel nickt, und ich bin froh und bringe ihm noch einen Napf mit der Hühnersuppe. Aber abends glänzen seine Augen, und seine Stirn ist heiß. Mutter ist voller Sorge; sie bleibt die ganze Nacht wach und passt auf ihn auf. Am Morgen ist es jedoch schlimmer geworden. Wir wickeln den Verband ab, und dann sehen wir es: Die Wunde ist rot und die Wundränder geschwollen.
    »Hol die Hausmännin«, sagt Mutter mit seltsam rauer Stimme.
    Ich renne schon.
     
    Die Hausmännin hat einen Wundheilbalsam mitgebracht, den sie selber gemacht hat. Sie kennt sich nämlich aus mit Kräutern und so was. Arnika ist drin, sagt sie, und Kamille und Hauswurz und Gänsefett. Das Zeug ist widerlich grün, und sie schmiert einen ganzen Batzen auf Michels Wunde. »Er ist gestolpert und in sein eigenes Messer gefallen«, sage ich, und sie schaut mich mit zusammengekniffenen Augen an. Sie weiß, dass ich lüge, aber sie fragt nicht weiter. Sie sagt bloß zu Mutter: »Mehr kann ich nicht machen, Mechtel. Du musst den Verband zweimal am Tag wechseln und immer wieder was von der Salbe drauftun. Und das Fieber mit nassen Tüchern herunterbringen, das ist wichtig.«
    Der Michel schwitzt jetzt richtig, obwohl wir ihm immer wieder die nassen Tücher auf Arme und Beine legen. Zwischendurch schläft er immer wieder ein, und dann stöhnt er leise. Suppe will er auch nicht essen. Ich hab solche Angst.
    Mutter, Ida und ich wechseln uns die ganze Nacht ab mit den Tüchern. Aber am Morgen ist Michel immer noch glühend heiß. Die Wunde ist schlimmer geworden, wenn man ein bisschen drückt, kommt gelber Eiter. Mutter weint, und Ida und das Irmel auch. Das Hannolein hockt neben dem Bett und singt dem Michel was vor. Aber der liegt nur da und atmet schnell. Immer wieder gebe ich ihm einen Schluck Wasser, weil er viel Durst hat. Wenn man aus Versehen an die Wunde kommt, schreit er.
    Am Nachmittag muss ich noch mal die Hausmännin holen. Sie kommt auch, und als sie die Wunde sieht, schüttelt sie den Kopf. »Wenn’s nicht bald besser wird, braucht er einen Arzt«, sagt sie. Wovon wir den zahlen sollen, sagt sie nicht.
    Ich setze mich zu Michel ans Bett und halte seine Hand. Er schaut mich mit ganz glasigen Augen an. »Es tut mir so leid«, flüstert er.
    »Dir braucht gar nichts leid zu tun«, sage ich. »Außerdem wirst du wieder ganz gesund.«
    Er schüttelt den Kopf, und in meinem Hals steckt ein Kloß, der macht, dass das Schlucken weh tut.
    »Und wenn du gesund bist«, sage ich, »dann suchen wir uns Arbeit – ich meine richtige Arbeit. Und dann müssen wir keine Not mehr leiden und Mutter kriegt ein schönes schwarzes Kirchentuch für den Sonntag.«
    Er lächelt. »Weißt du, was ich mir wünsche?«
    »Was denn?«
    »Ich hab den Kreuzprediger gehört, im Winter … du weißt schon, den wir überfallen haben. Er hat gesagt … im Heiligen Land kann jeder sein Glück machen.«
    »Stimmt«, sage ich. »Und jeder darf seine Beute behalten. Und bekommt Sündenablass. Und am Grab Christi ist es so schön wie nirgendwo sonst auf der Welt.«
    Michel drückt meine Hand. »Wenn ich … wieder gesund werde, will ich da hin.«
    »Nach Jerusalem? Du spinnst!«
    »Viele Arme nehmen das Kreuz«, beharrt Michel, und ich sehe, dass ihn das Reden viel zu sehr anstrengt. »Und drüben überm Meer … leben sie dann … wie im Paradies.« Er schließt die Augen wieder und dämmert weg. Später rüttle ich ihn ein bisschen, weil er was trinken soll, aber ich kriege ihn nicht wach. Mutter fängt an zu schluchzen. »Er stirbt uns, Primus, ach Gott, er stirbt uns.«
    Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Ich renne einfach los, wie wild stürme ich durch die dunklen Gassen, bis ich vor dem Haus vom Stadtmedicus stehe. Meine Fäuste hämmern gegen die schwere Tür.
    Oben wird ein Fensterladen geöffnet, und eine Frau hält eine Laterne hinaus. »Wer ist da?«
    »Primus aus der Hengersgasse«, keuche ich. »Mein Bruder stirbt!«
    »Aus der Hengersgasse?« Die Frau weiß genau, dass dort bloß die armen Leute wohnen. »Könnt ihr zahlen?«
    »Ja«, lüge ich.
    »Zeig dein Geld!«
    »Ich hab’s daheim.«
    Die Frau grunzt verächtlich. »Natürlich.«
    »Mein Bruder stirbt«, schreie ich. »Ihr kriegt Euer Geld, ich schwör’s. Bitte.«
    »Bring das Geld, dann kommt mein Herr mit.« Der Laden geht zu. Ich fühle mich so hilflos und so wütend und so verzweifelt. Mit Füßen und Fäusten bearbeite

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