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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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warm; das Laub hatte bunte Farben angenommen von Rot bis Gold, und die Sonne schien sanft aus einem lilienblauen Himmel. Über Auen und Flüssen hing weicher Nebel, der sich erst nachmittags verzog, und manchmal, wenn wir am Morgen aufbrachen, ritten wir über reifbedeckte Wiesen. Elisabeth genoss es, von früh bis spät mit ihrem geliebten Ludwig zusammen zu sein, und wir Zofen waren froh, eine Zeitlang keinen Hospitaldienst leisten zu müssen.
    Allerdings stellten sich dann andere Schwierigkeiten ein. Ganz gleich, wo wir hinkamen – ein Festmahl für das Landgrafenpaar gehörte selbstverständlich mit zur Begrüßung. Ob wir nun bei Friedhelm von Buch einkehrten, bei Albert von Altenburg, bei den Ebersburgern oder denen von Haldecke, die Gastgeber und ihre Frauen betrachteten es als Ehre und Verpflichtung, unsere ganze Gesellschaft mit dem Besten zu bewirten, was Küche und Keller hergaben. Vor allem die Ehefrauen, die ja dem Haushalt vorstanden, gaben sich unendliche Mühe und scheuten keine Plage, die Tafel für den hohen Besuch würdig auszugestalten. Natürlich waren sie aufgeregt und stolz gleichzeitig; es war für sie eine Ehrensache! Und dann geschah immer das Gleiche: Elisabeth fragte bei jedem Stück Brot, bei jedem Fleischgericht, jeder Fischpastete und jeder Eierspeise, woher denn die Sachen kämen. Und wenn man ihr dann antwortete, es seien Abgaben aus verpachtetem Land, oder man habe sie mit Steuergeldern der Untertanen erkauft, dann aß und trank sie nicht. Anfangs versuchte sie, ihr Fasten zu verbergen. Sie schob Fleischstückchen auf dem Teller hin und her, brach Brot ab und tat so, als ob sie äße. Vielen fiel das gar nicht auf, weil sie ihren Teller ja immer mit Ludwig teilte, der stets ordentlich zulangte. Und irgendetwas war ja oft da, das von der Jagd oder aus den Eigengütern der Adeligen stammte und so dem Speiseverbot des Konrad von Marburg nicht widersprach. Aber manchmal, wenn Elisabeths Verhalten offenbar wurde, war die fröhliche Stimmung beim Festmahl verdorben und die Gastgeber entweder wütend oder beleidigt.
    Ich erinnere mich eines Abends bei Herrmann und Kunigunde von Furra. Die Hausherrin, eine stolze, hochgewachsene Frau, ließ es sich nicht nehmen, Elisabeth selbst vorzulegen. Es gab Lamm und gesottenes Rindfleisch, herrlich knusprige Wecken und Rübenmus – natürlich stammte alles aus bäuerlichen Abgaben, was Kunigunde von Furra auch etwas überrascht zugab. »Warum wollt Ihr das wissen?«, fragte sie Elisabeth verwundert. Die antwortete frei heraus: »Weil mir als guter, frommer Christin nur erlaubt ist zu essen, was aus rechtmäßigen Einkünften stammt.«
    Die Furra fühlte sich sofort angegriffen. »Wollt Ihr damit sagen, wir alle anderen seien keine guten Christen? Und dass unsere Einkünfte unrechtmäßig sind?«
    Elisabeth wurde klar, was sie angerichtet hatte, und sie wehrte ab: »Aber nein, Frau Kunigunde, es ist nur so, dass ich ein Gelübde abgelegt habe.«
    »Dann möchtet Ihr also heute Abend lieber hungrig bleiben?«
    »So muss es sein«, erwiderte Elisabeth, »zu Gottes Ehre.«
    »Wenn Ihr meint«, antwortete die von Furra spitz und sprach den ganzen Abend kein Wort mehr mit der Landgräfin. Als ich später kurz den kleinen Saal verließ, um mein Schultertuch zu holen, sah ich die Gastgeberin im Vorraum bei ihrem Mann stehen. »Keine guten Christen sind wir!«, zischte sie. »Und nichts von alldem hat sie angerührt! Tagelang haben wir überlegt, was wir anbieten, die besten Stücke Fleisch haben wir aufgetischt! Den schönsten Ochsen haben wir schlachten lassen! Was hab ich mir für Mühe gemacht! Keine Kosten haben wir gescheut! Und das Weib isst nichts, einfach nichts. Hockt an der Tafel, die Hände im Schoß und lächelt blöd wie ein Schaf.«
    »Aber der Landgraf …«, wagte Hermann von Furra einzuwerfen.
    »Du kannst dem Landgrafen sagen, wenn er noch einmal kommt, soll er sein frömmelndes Weib zu Hause lassen!«, schäumte Kunigunde. »Die Frau hat mich beleidigt!«
    Das war nur einer der Besuche, der damit endete, dass die Gastgeber verprellt wurden. Bei denen von Nebra, entsinne ich mich, sprang die Hausfrau von der Tafel auf und lief weinend aus der Hofstube, weil Elisabeth das Essen ablehnte. Wenig später kam ein Teller mit fünf gebratenen Sperlingen aus der Küche, das Einzige, was sich für die Landgräfin hatte finden lassen. Mit Leimruten gefangene Spatzen waren auf jeden Fall rechtmäßige Speise. Elisabeth teilte sich die winzigen

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