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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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zur Rede stellte: ›Weib, was trägst du da in deinem Korb?‹ In ihrer Not erwiderte sie: ›Nichts, mein lieber Herr, als Blumen, die ich auf dem Weg gepflückt habe.‹ Als sie daraufhin auf Geheiß des Landgrafen das Tuch vom Korb zog – da fanden sie statt der Brote, die darin gewesen, den Korb über und über mit Rosenblüten gefüllt.«
    Das war natürlich völlig frei erfunden. Vor allem geschah damit Ludwig Unrecht – nicht einmal hat er, das kann ich beschwören, Elisabeth in ihrer Mildtätigkeit behindert. Aber das ganze Land sprach bald vom Rosenwunder.
    Und es kamen immer mehr Wunder dazu. Elisabeth habe einmal einen Aussätzigen ins Bett ihres Gatten gelegt, hieß es, und als erboste Diener den Landgrafen in die Schlafkammer führten, habe er keinen Kranken auf seiner Schlafstatt gesehen, sondern Jesus Christus selber. Oder: Einst habe Elisabeth ihren besten Prunkmantel einer Bettlerin gegeben, da sei hoher Besuch angekommen. Ludwig habe bestimmt, sie möge ausgerechnet diesen ihren schönsten Mantel tragen, und Elisabeth sei ganz verzweifelt gewesen, dass sie seinen Wunsch nicht erfüllen konnte. Doch als sie dann in ihre Kemenate kam, hatte sich ein Wunder ereignet: Auf dem Reck hing der verschenkte Prunkmantel.
    Nun, diese Geschichte hatte zumindest einen wahren Kern, ich musste laut lachen, als ich sie zum ersten Mal hörte. Es war tatsächlich so gewesen, dass Elisabeth den kostbaren Umhang einer alten Frau gelassen hatte. Das war in der Stadt Creuzburg; ich war selber dabei. Ich wusste auch, dass sie kurz vorher den Mantel von ihrer Schwägerin Jutta von Meißen als Versöhnungsgeschenk geschickt bekommen hatte. Und ich wusste weiter, dass Jutta am nächsten Tag mit ihrem Gefolge auf der Durchreise zur Plassenburg vorbeikommen würde. Und natürlich würde sie Elisabeth in dem Mantel sehen wollen. Darum gab ich der alten Frau, nachdem Elisabeth weg war, einen Beutel mit Pfennigen, mit dem sie ohnehin mehr anfangen konnte, nahm den Mantel wieder mit und hängte ihn in der Kemenate auf. Ich war also verantwortlich für das Wunder. Natürlich hab ich es Elisabeth nachher erzählt. Erst war sie enttäuscht, denn sie hatte ernsthaft daran geglaubt, Gott habe ihr ein Zeichen gegeben. Aber dann haben wir doch herzlich über die Sache lachen können, und sie nahm mir nichts übel.
     
    Damals begann es auch, dass sie Tote wusch. Die im Hospital starben, mussten ja hergerichtet werden, und die Leichenfrau aus der Stadt weigerte sich, zu den Sondersiechen zu gehen. Also verrichtete Elisabeth auch diesen letzten Dienst klaglos. Sie schlug die Toten auch selber in die Leichentücher ein – zunähen mussten Guda und ich, weil sie mit Nadel und Faden viel ungeschickter war als wir. Dann begleiteten wir die Toten auch noch auf ihrem letzten Weg zum Kirchhof, Elisabeth als Erste hinter der Bahre, barfuß und in einfachem Kittel. Unterwegs kamen die Menschen manchmal zu ihr heran und küssten den Saum ihres Gewandes, was sie zumeist verlegen abwehrte. »Ich tue nur meine Christenpflicht«, meinte sie dann. Aber daheim, im Frauenzimmer, redete sie eine andere Sprache. Einmal, als wir abends beisammensaßen, lächelte sie uns ganz versonnen an und sagte unvermittelt: »Ob man wohl zu meinen Ehren einmal eine Kirche errichten wird, hier in Eisenach? Vielleicht auf dem freien Platz beim Kalbstor, da wäre es gut. Oder an der Stelle der alten Kilianskapelle? Was meint Ihr?«
    Diese verräterischen Worte überzeugten mich endgültig davon, dass es nicht allein die Nächstenliebe war, die Elisabeth antrieb. Was sie tat, tat sie letzten Endes für sich. Dafür, dass der Herr sie eines Tages erheben würde. Damals hielt ich das für eine Art von Hoffart. Gott würde sich nichts vorschreiben lassen, er sah jedem ins Herz. Und Elisabeths Ehrgeiz, mit ihrem Verhalten dem Franziskus von Assisi oder Maria von Oignies gleichzukommen, erinnerte manchmal mehr an Wetteiferei als an Nächstenliebe. Doch die Zeit sollte erweisen, dass Elisabeth sich nicht getäuscht hatte. Denn letzten Endes entschied der Papst – und seine weltlichen Ratgeber. Und den Armen und Elenden, denen war es gleich, aus welchen Gründen man ihnen half.
     
    Heinrich Raspe hörte die Legenden überall im Land, ihm blieb nicht verborgen, mit welcher Dankbarkeit und Ehrfurcht die Menschen Elisabeth begegneten. Er missgönnte seiner Schwägerin die Liebe des Volkes und ärgerte sich maßlos über ihre übertriebene Freigebigkeit. Eines Tages, während

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