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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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und streckt dabei die Arme nach vorn, ich sehe den langen Dolch, den er in der Hand hat. Mein Herz rutscht in die Hosentasche, aber wegrennen geht nicht, und so versuche ich, seinen Angriffen irgendwie auszuweichen. Aus dem Augenwinkel beobachte ich, wie der nackte Ritter mit zwei Kerlen gleichzeitig kämpft. Ratz hängt dem einen immer noch am Bein. Da, der erste Angreifer schreit auf, greift sich an die Schulter und fällt um. Der zweite hat jetzt endlich Ratz abgeschüttelt und flüchtet in die Büsche. Und mein Gegner entschließt sich jetzt auch zur Flucht. Gewonnen!
    Irgendwas stimmt nicht mit meinem linken Arm. Ich schaue hin, und da ist lauter Blut. Mir wird schlecht, und der nackte Ritter kann mich grad noch auffangen.
    Als ich wieder zu mir komme, ist der Ritter schon wieder angezogen und sitzt neben mir. Er hat meinen Arm verbunden, es sticht und zieht höllisch. »Geht’s wieder?«, fragt er.
    Ich setze mich auf und nicke. »Man soll nie alleine baden«, sage ich.
    »Du hast recht, das war leichtsinnig«, erwidert er schuldbewusst und tätschelt Ratz den Rücken. »Wenn du nicht zu Hilfe gekommen wärst, wäre ich zumindest mein Pferd losgewesen, wenn nicht gar das Leben.«
    »War doch selbstverständlich«, sage ich großzügig.
    »Oh, andere wären vielleicht zu feige gewesen, nur mit ihrem Essmesser auf vier wilde Räuber loszugehen. Und einen feinen Hund hast du da.«
    »Ja, Ratz ist ein richtiger Kämpfer.«
    »Soso, Ratz. Und wie heißt du?«
    »Primus von Eisenach.«
    »Ich bin dir zu Dank verpflichtet, Primus von Eisenach. Der Landgraf kann sich glücklich schätzen, Jungen wie dich in seiner Truppe zu haben. Wie alt bist du?« Er musterte mich im Abendlicht der untergehenden Sonne.
    »Sechzehn«, lüge ich und halte mir den verbundenen Arm.
    »Ah. Kannst du gehen?«
    Ich nicke. Er wirft die Kaninchen über die Kruppe seines Pferdes und nimmt es am Zügel. Dann gehen wir in der Dämmerung zurück ins Lager. »Deine Verletzung ist nur ein Kratzer«, sagt er, »ein kleiner Schnitt, nichts Schlimmes. Die erste Narbe, die dir der Kreuzzug bringt. Kannst stolz sein.«
    »Ich hoffe, ich werde ein guter Soldat sein, wenn’s drauf ankommt«, erwidere ich.
    »Na, das Zeug dazu hast du!« Er drückt mir die Karnickel in die Hand, als wir uns bei meinem Haufen trennen. »Danke«, sagt er noch mal, und dann, schon ihm Gehen, fragt er: »Da fällt mir ein: Kannst du mit Pferden umgehen?«
    »Na klar.« Wieder lüge ich, aber das kann schließlich nicht so schwer sein, oder?
    »Mein Rossknecht ist bei Roncaglione am Fieber gestorben«, sagt er. »Wenn du willst, nehm ich dich in Dienst.«
    Mein Herz macht einen Riesensprung. »Ist das Euer Ernst?«
    »Warum nicht? Schließlich schulde ich dir was.«
    Ich kann’s nicht fassen. »Gerne, Herr. Es ist mir eine Ehre!«
    Er steigt auf. »Komm morgen früh ins Ritterlager.«
    Ich könnte schreien vor Glück. »Nach wem soll ich fragen?«
    Er ist schon ein Stück weg, als er über die Schulter zurückruft: »Nach dem Waffenmeister des Landgrafen. Raimund von Kaulberg.«

Gisa
    V on dem Tag an, da Ludwig fort war, trug Elisabeth Witwenkleider. Sie pflegte sich nicht mehr, ließ sich die Brauen nicht mehr zupfen, tupfte abends kein Rosenöl mehr hinter die Ohren. Nachdem wir auf die Wartburg zurückgekehrt waren, richtete sie ihr Augenmerk ganz und gar auf ihre andere große Liebe: die Armen und das Hospital. Schon frühmorgens gingen wir mit ihr hinunter zu den Kranken. Oft kamen wir erst nach Sonnenuntergang auf die Burg zurück, und der Torwart musste eigens für uns noch einmal aufsperren. Sie schonte weder uns noch sich selber, und wir machten uns alle Sorgen, wie lange sie das in ihrem Zustand noch durchhalten konnte. Inzwischen betätigte sie sich auch noch als Ärztin – von der Hühner-Els, die sich mit solchen Sachen auskannte, ließ sie sich Pasten und Salben machen und schmierte sie dann mit bloßer Hand den Bresthaften auf die Haut. Sie hätte das freudig auch bei den Leprösen getan, Guda, Isentrud und ich konnten sie nur mit Müh und Not daran hindern. Wir hatten Ludwig versprechen müssen, Elisabeth zumindest während ihrer Schwangerschaft von den Aussätzigen fernzuhalten.
    Was wir nicht verhindern konnten, war, dass sie immer mehr von ihrem Besitz dahingab, um den Armen zu schenken. Sie ließ auf den Eisenacher Märkten Kleider kaufen, die sie an die Stadtarmen verteilte, auch Brot und anderes. Der Laden des jüdischen Pfandleihers in der Stadt war

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