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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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nach Palermo verschlagen, und ich konnte eine Zeitlang als Waffenmeister in seine Dienste treten. Dabei habe ich ihn ein paarmal getroffen. Man sagt von ihm, er sei das ›Staunen der Welt‹, und das stimmt! Er spricht viele Sprachen, und es heißt, er sei gelehrter als selbst der Papst. Er liebt die Beizjagd. Und überhaupt führt er ein Leben wie ein maurischer Fürst. Mit einem Harem voller schöner Weiber!«
    »Was ist das, ein Harem?«
    Er lacht. »Das ist, wenn einer mit vielen Frauen gleichzeitig verheiratet ist.«
    Ich reiße die Augen auf. »Das darf der? Unsereins würden sie auf dem Marktplatz wegen Unzucht aufhängen!«
    »Jaha«, meint er, »es ist halt nicht jeder gleich auf dieser Welt. Das musst du dir merken, Junge. Was sich für einen Kaiser geziemt, ist einem einfachen Mann noch lang nicht erlaubt.«
    Ich glaub, ich wär ganz gern Kaiser.
     
    Und dann erreichen wir Troia. Es ist eine kleine Stadt auf einer Bergkuppe, gleich bei der Straße. Wir haben schon Boten vorausgeschickt, damit der Kaiser weiß, dass wir kommen. Das Fußvolk lagert im Tal, und nur die Edlen mit ihrer Dienerschaft reiten in Troia ein. Also auch ich. Ich bin so gespannt! Ob ich wohl einen Blick auf den Kaiser erhaschen kann? Vor der Stadt formiert sich unser Heereswurm neu, damit wir ordentlich und nach Rang gestaffelt einreiten können. Es geht durchs Tor, durch die enge Hauptstraße. Alles kommt ins Stocken, ewig lang stehen wir herum und kriegen kaum Luft. Und dann sind wir schließlich auf dem Hauptplatz mitten in der Stadt angekommen, vor der Marienkathedrale, einer wunderschönen alten Kirche mit schweren Bronzetoren und einer Rosette am Giebel. Ich sitze auf meiner Dicken ganz hinten und sehe natürlich nichts, während Ritter und Fürsten vom Kaiser begrüßt werden. Platzen könnte ich vor lauter Neugier. Also frage ich meinen Nebenmann, ob er mal die Dicke kurz halten kann, und quetsche mich zu Fuß nach vorne durch.
    Und da sitzt er, mein Gott, das muss er sein! Wieso trägt er keine Krone, frag ich mich, aber immerhin hat er eine edelsteinbestickte Mütze auf. Links und rechts von ihm liegen zwei wunderschöne Tiere, die ich noch nie gesehen habe.
    »Was sind das für Viecher?«, frage ich einen jungen Mönch, der neben mir steht.
    »Leoparden, Junge.« Der Mönch spricht mit schwäbischem Zungenschlag. »Aus dem fernen Wüstenland Afrika, wo das Reich des Priesterkönigs Johannes liegt.«
    »Ja«, ergänzt eifrig ein ganz in Weiß gekleideter Mann neben ihm, »wo die Kopffüßler wohnen und die Berge aus reinem Kristall sind. Wo die Weiber drei Brüste haben und die Männer aus dem Arsch spucken!«
    Ich schaue den Kerl misstrauisch an. Meint der das ernst? Eins von den schwarzgetupften Tieren gähnt und zeigt sein Maul voller spitzer Reißzähne.
     
    Aber die Leoparden sind nicht das einzig Neue, das ich sehe. Um den Kaiser herum stehen Männer mit langen Kleidern, merkwürdigen Stoffgebilden auf den Köpfen und Ohrringen. Ihre Haut ist dunkel, einer ist sogar ganz schwarz, ein Mohr! Ich wüsste zu gern, wieso Gott ihn so schwarz gemacht hat. Bestimmt hat er eine schlimme Sünde begangen.
    Dann richte ich meine ganze Aufmerksamkeit auf den Kaiser Friedrich. Er ist in strahlendes Gold gekleidet und sitzt ganz still da. Nur wenn einer von den Edlen vor ihm das Knie beugt, hebt er lässig die Hand zum Gruß. Da, jetzt kommt der Landgraf Ludwig, ganz ehrerbietig verbeugt er sich. Und um ihm Ehre zu erweisen, steht der Kaiser von seinem Stuhl auf, tritt zu ihm hin und zieht ihn hoch. Ei, da fällt plötzlich auf, wie klein der Kaiser ist. Geradezu winzig wirkt er neben dem Landgrafen, dabei ist der auch nicht gerade ein Riese, schließlich hab ich ihn inzwischen oft genug gesehen. Herr Friedrich reicht ihm gerade einmal bis zur Schulter. Und diese rote Gesichtsfarbe, als ob er einen Sonnenbrand hätte! Eigentlich ist er ziemlich hässlich. Ein Windstoß weht ihm fast die Mütze weg, er fängt sie gerade noch im Genick auf. Darunter ist er fast kahl, hat nur wenige rötliche Haare und eine Stirnglatze. Wer hätte das gedacht! So sieht ein Kaiser aus? Das Staunen der Welt?
    Die Enttäuschung muss mir wohl im Gesicht geschrieben stehen, denn der Priester schmunzelt mich an. »Hast dir wohl was anderes erwartet, hm?«
    Ich nicke. »Schon.«
    Der Weißgekleidete neben mir grinst. »So geht es allen. Der Herrgott muss ihn wohl übersehen haben, als er die Schönheit verteilt hat. Außerdem ist er auch noch kurzsichtig.

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