Die Tore des Himmels
wir im Hospital waren, ließ er kurzerhand Elisabeths Geldtruhe in die Schatzkammer schaffen, wo sie ja eigentlich hingehörte. Natürlich hatte er kein Recht dazu, denn es war ja ihre Aussteuer; es gefiel ihm nur einfach, seine verhasste Schwägerin zu kränken. Elisabeth stellte ihn wütend zur Rede, aber er lachte ihr geradewegs ins Gesicht. Die Wachen ließen sie nicht mehr an ihr Geld, sie waren Heinrich Raspe unbedingt ergeben. Diesen ersten Kampf hatte Elisabeth verloren, und ich fürchtete, es würden weitere Niederlagen folgen.
Daraufhin begann sie, immer mehr von ihrem Schmuck zu versetzen. Dann die kostbaren Kleider, die sie ohnehin nicht mehr trug. Und dann befand sie eines Tages, sie brauche Geld, um ihr Hospital zu vergrößern. Ein steinernes Haus sollte neben den Holzhütten gebaut werden. Ohne irgendjemandem etwas zu sagen, verkaufte sie ein Stück Weingarten in Freyburg, das zu ihrem Witwengut gehörte, für zehn Mark Silber an den Ritter von Ebershausen. Vielleicht war ihr damals gar nicht bewusst, dass sie das nach Recht und Gesetz gar nicht tun durfte, aber selbst wenn – es wäre ihr vermutlich gleichgültig gewesen. Der Krieg zwischen ihr und Heinrich Raspe war jetzt offen erklärt.
Doch mit dem Güterverkauf war sie zu weit gegangen. Die Ländereien gehörten zum Familienbesitz und konnten ohne einen gemeinsamen Beschluss gar nicht rechtmäßig verkauft werden. Der von Ebershausen allerdings präsentierte triumphierend eine Besitzurkunde, auf der das landgräfliche Siegel prangte. Da war nun nichts mehr zu machen. Wutentbrannt stürmte Heinrich Raspe abends in die Frauenkemenate, wo wir uns gerade gegenseitig die Zöpfe für die Nacht flochten. »Du hirnverbranntes Weibstück«, brüllte er Elisabeth an und schleuderte ihr eine Abschrift der Kaufurkunde vor die Füße, »bist du vollends närrisch geworden? Du kannst nicht verkaufen, was dir nicht gehört!«
Elisabeth flocht in aller Ruhe Gudas Zopf zu Ende. Dann stand sie auf, sah Heinrich furchtlos in die Augen und hielt schützend die Hände vor ihren Bauch. »Ich bin die Stellvertreterin meines Gatten und habe alles Recht, zu tun und zu lassen, was ich will.« Sie konnte schon immer bockig sein, wenn sie wollte.
Er lachte höhnisch. »Sei doch ehrlich, Elisabeth. Du bist überhaupt nicht fähig, an Ludwigs Stelle das Land zu führen! Du hast nicht mehr Verstand als eine Stubenfliege, das weiß jeder hier am Hof. Du kümmerst dich um nichts außer um deine jämmerlichen Kreaturen, das ist das Einzige, was du kannst. Und du kennst in deiner frömmlerischen Verblendung kein Maß und kein Ziel. Die Räte und ich sind nicht gewillt, deinen törichten Narrheiten länger zuzuschauen. Du wirst mir jetzt das landgräfliche Siegel aushändigen, und zwar sofort!«
Elisabeth schüttelte wild den Kopf, und ich sah – schließlich kannte ich ihn gut genug –, dass Heinrichs Hand zuckte, als ob er sie schlagen wollte. Eine Schwangere! Mit einem schnellen Schritt stellte ich mich zwischen sie und ihn. »Wie kannst du unangemeldet nächtens in unsere Schlafkammer eindringen, Heinrich?«, fragte ich ihn zornig. »Geh jetzt, und morgen früh besprechen wir alles mit den Räten.«
»Geh mir aus dem Weg«, knurrte er, schob mich grob zur Seite und baute sich breitbeinig ganz nah vor Elisabeth auf. »Gib mir das Siegel, Schwägerin!«
Elisabeth wich bis zur Wand zurück. »Und wenn nicht?«
»Dann werde ich Wachen vor dem Frauenzimmer aufstellen lassen, die verhindern, dass du deine Räume verlässt. So kannst du wenigstens keinen Schaden mehr anrichten. Allerdings«, er tat so, als dächte er nach, »wirst du dich dann wohl nicht mehr um deine Elendswürmer im Hospital kümmern können. Schade, oder?«
»Ich gebe Ludwig Nachricht, wie du mich behandelst!«, begehrte Elisabeth auf. »Wenn er aus dem Heiligen Land zurückkommt, wird er dich strafen.«
Heinrich hob belustigt die Augenbrauen und entgegnete mit sanfter Stimme. »
Wenn
er aus dem Heiligen Land zurückkommt, meine Liebe. Denk daran, Gottes Wege sind unergründlich. Wer weiß schon, was alles geschehen kann?«
Elisabeth wurde ganz blass. Und ich, ich erschrak bis ins Tiefste. Ich dachte an Schmalkalden, an Heinrich, wie er diesem Bösewicht Ortwin einen Beutel Geld in die Hand gedrückt hatte. Eine Ahnung drückte mir mit eiskalten Fingern das Herz ab.
»Gib ihm doch das Siegel«, jammerte Guda, die schon immer die Ängstlichste von uns war. Ich warf ihr einen warnenden Blick zu.
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