Die Tore des Himmels
Mir hat kürzlich ein muselmanischer Kaufmann gesagt, Friedrich brächte auf dem Sklavenmarkt zu Bagdad keine zweihundert Dirham.«
Das finde ich nun schon arg beleidigend, aber lachen muss ich doch. Ich laufe zurück zu meiner Dicken. »Den Kaiser sehen und sterben«, hat zu Anfang der Reise der Sohn des Schultheißen zu mir gesagt. Wenn ich ihn das nächste Mal treffe, werd ich ihm sagen, dass er getrost weiterleben kann!
Am anderen Tag ziehen wir in aller Frühe weiter. Die nächste Stadt ist Melfi; dort wartet schon Bischof Ekbert von Bamberg auf uns, der Schwiegeronkel des Landgrafen. Viele hohe Geistliche, erzählt mir mein Herr, sind angereist, um entweder mitzufahren oder dem Kreuzfahrerheer beim Einschiffen ihren Segen zu geben. Schaden kann’s nicht, denke ich. Hitze und Fieber und Scheißerei schwächen die Männer immer mehr, aber als wir schließlich bei Molfetta das Meer erreichen, jubeln alle und recken die Fäuste in die Luft. Und nur noch ein Tagesmarsch nach Bari, dann drei oder vier nach Brindisi, und dann haben wir’s geschafft.
Aber am nächsten Morgen befiehlt mir mein Ritter, bei den Pferden zu bleiben, während das Fußvolk und die meisten anderen weitermarschieren. Die thüringischen Edlen machen keine Anstalten aufzubrechen. Wir Knechte hocken den ganzen Vormittag beieinander und rätseln, was los ist. Dann kommt Raimund von Kaulberg zurück. »Wir rasten ein paar Tage hier«, meinte er mit besorgter Miene. »Der Kaiser hat das Fieber, und unser Landgraf möchte an seiner Seite bleiben. Komm, Primus.«
Ich springe auf. »Was befehlt Ihr, Herr?«
»Wir begleiten den Landgrafen auf die Insel Andrea, wo sich Kaiser Friedrich für ein paar Tage erholen will. Lass die Pferde hier, die anderen kümmern sich schon.«
Ich bin richtig stolz. Er nimmt mich mit, obwohl die Pferde nicht dabei sind. Als seinen persönlichen Diener! Zum Landgrafen und zum Kaiser!
Im Hafen von Molfetta besteigen wir ein kleines Boot, das uns zur Insel hinüberrudern wird. Ein zweites Boot folgt. Zum ersten Mal fahre ich auf dem Meer! Bäh, wie salzig das Wasser ist. Wie soll man das trinken? Ich hänge meine Hand ins Wasser und lasse sie neben dem Boot schleifen, bis Gischt aufspritzt. Der Wind bläst mir Tröpfchen ins Gesicht, herrlich! Ich sehe zum zweiten Boot hinüber – und traue meinen Augen nicht. Am Bug sitzt ein großer Kerl und macht das Gleiche wie ich. Und der Kerl ist – Ortwin!
Als wir auf dem steinigen Inselchen landen, gehe ich zu ihm hinüber. »Was tust du denn hier?«, will ich wissen.
»Könnt ich dich auch fragen«, gibt er zurück. Irgendwie hab ich das Gefühl, er freut sich nicht besonders, mich zu sehen.
»Ich bin Pferdeknecht und Leibdiener des Waffenmeisters Raimund von Kaulberg«, werfe ich mich in die Brust.
»Und ich bin so was wie der Aufpasser des jungen Schlotheimers«, sagt er schulterzuckend. »Der ist erst vierzehn, wollte aber unbedingt mit ins Heilige Land. Sie bezahlen mich dafür, dass ich zusehe, dass ihm nichts geschieht und dass er keine Dummheiten macht.«
Ich sehe zu seinem Herrn hinüber. Na ja, viel jünger als ich ist der nicht, aber er sieht noch aus wie ein Kind, mit dicken Pausbacken und großen blauen Augen. »Wie kommen die denn auf dich?«, will ich von Ortwin wissen.
»Sein Vater ist bei den Reinen«, flüstert er. »Aber jetzt kein Wort mehr.«
Ich verstehe. Oder eigentlich verstehe ich nicht. Wieso schickt einer von denen seinen Sohn auf Kreuzzug? Irgendwas an der Geschichte kommt mir merkwürdig vor. Und Ortwin hat so einen Ausdruck auf dem Gesicht, den kenn ich von früher: So hat er immer ausgesehen, wenn irgendwas im Busch war.
Aber was soll’s – geht’s mich was an?
Nach drei Tagen geht es dem Kaiser besser, und wir machen uns endlich auf den Weg nach Brindisi.
Gisa
A uf Isentruds und meinen Rat hin hatte Elisabeth beschlossen, die Wartburg für ein paar Wochen zu verlassen. Es war besser, Heinrich Raspe eine Zeitlang aus dem Weg zu gehen, also ritten wir mit einem kleinen Teil des Hofgesindes auf die Creuzburg. Auf diese Weise würde Elisabeth außerdem davon abgehalten, in den letzten Wochen der Schwangerschaft im Hospital zu arbeiten. Man wusste ja, dass, wenn eine Hochschwangere einen Krüppel sah, das Kind womöglich die gleiche Verunstaltung bekommen würde oder gar schlimmer. Eine Hofdame der Gräfin von Orlamünde, so hieß es, habe sich einst kurz vor der Niederkunft vor einem Einbeinigen erschrocken, und das
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