Die Tore des Himmels
potestates.
Tibi cherubim et seraphim incessabili voce proclamant.
Sanctus, sanctus, sanctus Dominus Deus Sabaoth.«
Heilig, heilig, heilig … Es war ein heiliger Augenblick. Und als das Lied endete, wusste ich, dass ich, ganz gleich, wohin es mich führen würde, bei Elisabeth bleiben musste.
Und dass tatsächlich nun auch für mich ein neues Leben begann.
Primus
D er Kaiser kommt und kommt nicht! Es heißt, der Papst habe ihn aus lauter Wut exkommuniziert. Kann ich gut verstehen. Schließlich hat er sich erst jahrelang geziert, auf Kreuzfahrt zu gehen, und jetzt hat er wohl endgültig seinen Eid gebrochen. In Akko wissen die Kreuzritter langsam nicht mehr, was sie machen sollen. Herumsitzen und noch länger warten? Oder die Sache abbrechen und nach Hause ziehen? Eins ist jedenfalls klar: »Ohne den Kaiser wird der Kampf nicht geführt.« Das sagt mein Herr Raimund.
Wenn ich dann zurück zu unserem Haus komme, wartet mittags schon Miriam auf mich. Jedes Mal, wenn ich sie anschaue, möchte ich dem Kaiser am liebsten dafür um den Hals fallen, dass er noch nicht übergesetzt ist, denn sonst wären wir längst auf dem Weg nach Jerusalem. Sie ist das liebenswerteste, hübscheste Mädchen auf der ganzen Welt. Inzwischen können wir uns ganz gut mit den Händen unterhalten. Ich weiß jetzt, dass sie nicht gern bei dem Töpfer lebt. Er schlägt sie oft, das macht mich so zornig, ich kann’s gar nicht beschreiben! Der Gedanke, dass jemand ihr Schmerzen zufügt, bringt mich fast um! Das hab ich ihr neulich mit Gesten gesagt, und sie hat meinen Arm gestreichelt.
Mittags, wenn Ischkander schläft, sitzen wir unter dem Feigenbaum, und ich halte ihre Hand. An ihrem linken Ohrläppchen ist ein Muttermal, das sehe ich immer dann, wenn sie keinen Schleier trägt. Und sie hat kleine Grübchen in den Wangen, die sehen hübsch aus, wenn sie lacht. Ritter Raimund grinst jedes Mal, wenn er uns so sieht. »Vergiss mir nur nicht Brun!«, sagt er zu mir und hebt den Zeigefinger. »Und lasst Euch nicht von dem Alten erwischen!«
Und dann, als sie wieder einmal Wasser vom Brunnen holt, wage ich es: Ich hole den vollen Eimer herauf und gieße Wasser in ihren Krug. Als sie ihn nehmen will, kommt sie mir so nah, dass ich ihr unvermutet einen Kuss aufdrücken kann. Sie ist so verwirrt, dass sie mir den Krug lässt und ins Haus rennt. Und ich könnte hüpfen und springen vor Glück! Wie weich ihre Lippen waren!
Und jetzt ist bald alles vorbei.
Die Thüringer Ritter haben eine Versammlung abgehalten, in der sie beschlossen haben abzureisen, falls der Kaiser nicht spätestens bis Oculi kommt. Das sind genau noch vier Wochen! Ich bin so unglücklich, ich könnte heulen. »Du hast doch noch ein bisschen Zeit«, tröstet mich Herr Raimund. »Und außerdem bist du noch so jung! Es gibt viele hübsche Mädchen, und wenn du wieder daheim bist, findest du bestimmt eine, die dir gefällt.«
»Wie könnt Ihr das sagen, Herr?«, empöre ich mich. »Wart Ihr niemals verliebt?«
Da verdunkelt sich sein Gesicht, und er wendet sich ab. Oh, verdammt, ich hätte wohl lieber den Mund halten sollen.
Traurig gehe ich zum Brunnen, um Miriam zu sagen, dass wir bald abziehen. Mit Händen und Füßen fuchtele ich, bis sie versteht. Und dann steht sie da, mit hängenden Schultern, und weint. Es ist ein stummes Weinen, und es zerreißt mir das Herz. Ich nehme sie in die Arme, streiche ihr übers Haar, versuche sie zu trösten, obwohl ich doch selber am liebsten mitheulen würde. Ich will keinen Abschied von ihr.
Mitten in der Nacht wache ich plötzlich auf. Es raschelt. Brun schnobert leise und scharrt mit dem Vorderhuf. Mist, wo ist mein Messer? Ich will aufspringen und »Wer da?«, rufen, aber da spüre ich schon eine Hand. Himmel, sie ist es! Miriam! Ich sehe sie ganz deutlich im Mondlicht, das durchs Stallfenster scheint. Mahnend legt sie einen Finger vor den Mund. Sie trägt das Haar offen und hat nur ein Leinenhemd an. Unter dem dünnen Stoff zeichnen sich ihre Brüste ab. Sie kniet sich neben mich, und dann – dann zieht sie das Hemd über ihren Kopf. O Gott, sie ist so schön! Ihre Haut schimmert silbern im Mondlicht. Das Haar fällt ihr über die Schultern wie ein schwarzer Schleier. Ihr Nabel ist wie ein kleiner Blütenkelch, und drunter hat sie einen Busch dunkler Löckchen. Mein Schwengel ist schon so fest, dass meine Hose gleich platzt, aber ich wage mich nicht zu bewegen, aus Angst, dass sie dann davonläuft. Ich schlucke, als sie auf
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