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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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flüsterte Elisabeth mir zu. »Alles wird gut.«
    Ich war mir da nicht so sicher. Bei Mechtel konnten wir nur vorübergehend bleiben. Und unser Geld und die paar Ringe, die wir noch hatten, würden höchstens für drei oder vier Wochen reichen. Was dann? Noch bis spät in die Nacht hinein lag ich wach und dachte nach. Schließlich tröstete ich mich mit dem Gedanken, dass dieser Zustand ohnehin nicht lange anhalten würde. Denn Elisabeths Beichtvater war ja schon benachrichtigt. Er würde über kurz oder lang herkommen und entscheiden, was geschehen sollte. Und wenn man auch viel Böses über ihn sagen konnte – er war ein kluger Mann. Er würde wissen, was zu tun war. Ich zog meine Decke fester um mich und kroch tiefer ins Stroh. Mein Gott, immer hatte ich Konrad von Marburg gehasst – jetzt war er meine große Hoffnung. Ich beschloss, am Morgen noch einen Boten nach ihm zu schicken. Ja, Konrad von Marburg würde uns aus dieser schlimmen Lage befreien! Es war nur eine Frage der Zeit.

Eisenach, Februar 1228
    » I ch will Hühnchen!« Hermann spuckte wütend den faden Brei aus, den ihm Guda gerade in den Mund gelöffelt hatte.
    »Ich auch! Und Butterstriezel!« Das war Sophie. Die Kleine zog einen Flunsch und strebte von Isentruds Schoß herunter.
    »Schscht!«, sagte Elisabeth. »Die armen Kinder müssen heute Graupen essen, weil kein Geld für Hühnchen und Butter da ist.«
    Hermann stampfte trotzig mit dem Fuß auf. »Ich will nicht mehr ›arme Leute‹ spielen. Das ist blöd.«
    »Sei lieb und iss deinen Brei.« Guda bot ihm noch einen Löffel an.
    Der Junge schlug ihre Hand weg, und die Graupen landeten auf Gudas Kittel. »Will nicht, will nicht!«
    Sophie heulte. Guda bekam einen Hustenanfall. Elisabeths Augen füllten sich mit Tränen. Jetzt war auch ihre Gleichmut dahin. Über vier Wochen lebten sie nun schon so. Die Kleinen fieberten seit zwei Tagen und klagten beide über Bauchweh. Guda wurde vom Lungenfluss geplagt, sie hatte Kälte noch nie gut vertragen. Alle waren sie von Flöhen zerstochen, konnten vor Jucken und Kratzen kaum schlafen. Die Kinder stritten fast den ganzen Tag, sie vermissten ihre Spielkameraden auf der Burg, ihre weichen Betten, das feine Essen, die wärmenden Kohlebecken überall. Anfangs hatten sie das Ganze noch als Abenteuer gesehen, aber jetzt wollten sie nur noch nach Hause. Oft hatten sie Wutanfälle, aber manchmal verkrochen sie sich einfach nur frierend ins Stroh und sahen mit traurigen Augen den anderen zu. Die kleine Gertrud greinte auch ständig. Vor zwei Wochen war die Amme gegangen. »Das kann keiner von mir verlangen«, hatte sie gesagt, »in diesem elenden Loch zu hausen.«
    Von ihrem letzten Geld hatten sie eine Ziege gekauft, mit deren Milch sie Gertrud fütterten. Anfangs hatte sich die Kleine Stein und Bein geweigert, dann war der Hunger stärker gewesen. Seitdem plagte sie der Durchfall und außerdem litt sie unter nässendem Ausschlag am ganzen Körper, es war ein Jammer, sie anzusehen. Elisabeth fragte sich immer öfter, ob sie das Richtige tat, aber ihr Gottvertrauen hatte bisher jedes Mal über die Zweifel gesiegt.
    »Kinder«, sagte sie jetzt mit einem gezwungenen Lächeln und stand auf, »wir wollen spazierengehen. Draußen scheint so schön die Sonne! Und ich muss nach den Kranken vor der Georgskirche sehen.«
    Sie fasste Hermann bei der Hand und wollte ihm den dicken Winterumhang anziehen. Der Junge kreischte und schlug nach ihr, kratzte und biss. Dann warf er sich auf den Boden und strampelte mit Händen und Füßen. Sie kämpfte mit ihm, umsonst, sie hatte nicht genug Kraft, um mit dem Tobenden fertigzuwerden. Am Ende stand sie da und ließ müde die Arme hängen. Alles war so schwer.
    »Lass«, sagte Guda. »Er beruhigt sich schon wieder. Ich komme mit zur Kirche.«
     
    Als die beiden weg waren, setzten sich Gislind und Isentrud vor die Feuerstelle zum Aufwärmen.
    »So kann’s nicht mehr weitergehen«, sagte Isentrud. »Wenn der Prediger nicht in den nächsten Tagen kommt, dann nehme ich die Kinder und bringe sie zur alten Landgräfin ins Kloster. Und wenn sie sich hundertmal weigert. Ich lasse sie einfach dort.« Sie war vor einer Woche heimlich zu Elisabeths Schwiegermutter gegangen und hatte um Hilfe gebeten. Doch Sophia war hart geblieben. »Sie muss zurück auf die Burg«, hatte sie gesagt. »Das ist die einzige Lösung. Ich werde nichts mehr tun, um ihren Trotz und ihre Verrücktheiten zu unterstützen. Wir haben Elisabeth viel zu lange

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