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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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alles nachgesehen.« Also hatte Isentrud das Kloster unverrichteter Dinge wieder verlassen. Von Sophia war nichts zu erwarten.
    Gislind schaukelte die wimmernde Gertrud auf den Knien. »Du armes Wurm«, seufzte sie. »Könntest es gut haben. Und deine Geschwister auch.« Sie sah hinüber zu Hermann und Sophie, die inzwischen wieder friedlich auf der Bettstatt saßen und mit Irmels Lumpenpuppen spielten.
    Wütend stocherte Isentrud mit dem Schürstab in der Glut. »Ich begreife sie nicht mehr«, sagte sie. »Wenn sie selber in Not und Elend leben will, ist es ihre Entscheidung. Aber sie mutet uns und vor allem den Kindern zu, für ihre Sache mitzuleiden. Wir sollen Hunger und Kälte und Elend ertragen, damit sie ihrem Gott näher ist. Das ist nicht richtig.«
    »Willst du gehen?«, fragte Gisa.
    Isentrud schüttelte den Kopf. Ihr Zorn war so schnell verflogen, wie er gekommen war. »Herrje, sie braucht uns doch. Was will sie denn ohne uns tun, ganz allein? Manchmal kommt sie mir vor wie eins meiner eigenen Kinder.«
    Gisa nahm Isentruds Hand. »Wir müssen zu ihr halten. Sie hat sonst niemanden auf der Welt. Und es wird bestimmt bald vorbei sein.«
    Guda und Elisabeth kamen zurück. Sie hingen ihre Mäntel übers Reck und stellten sich vors Feuer, um sich aufzuwärmen.
    »Elisabeth«, begann Gisa vorsichtig und warf dabei Isentrud einen Blick zu, »glaubst du denn immer noch, dass du das Richtige tust?«
    Sie wandte sich um, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Warum zweifelt ihr alle an mir? Ich versuche doch nur, den Willen des Herrn zu erfüllen.«
    Gisa breitete lächelnd die Arme aus. »Das weiß ich doch. Aber wie kannst du so genau wissen, was dieser Wille ist? Vielleicht täuschst du dich ja auch. Schließlich bist du auch nur ein Mensch, wie wir alle. Und Menschen können Fehler machen.«
    Elisabeth schüttelte so wild und trotzig den Kopf, dass die Locken flogen. »Gisa, denk doch daran, was in der Bibel steht. Denk an Hiob! Ja, es geht uns schlecht. Aber ich weiß, Gott will mich nur prüfen.«
    »Will Gott deine Kinder auch prüfen?« Isentrud stemmte die Hände in die Hüften und stellte sich neben Gislind.
    »Ich weiß es doch nicht, Isa!« Elisabeths Selbstsicherheit war plötzlich dahin. Verzweifelt sah sie die anderen Frauen an. Und dann trat selbst Guda, die immer unterwürfige Guda, zu den beiden Zofen und verschränkte die Arme. Elisabeth hatte ihre letzte Verbündete verloren.
    »Aber ich kann die Kinder doch nicht auf die Wartburg zurückschicken. Heinrich Raspe wird das nicht zulassen.« Sie begann zu schluchzen.
    »Dann eben woanders hin. Zu Verwandten. Ganz egal.« Isentrud suchte einen Ausweg.
    Gisa nahm den Gedanken auf. »Was ist mit deiner Tante Mechthild, der Äbtissin von Kitzingen?«
    »Oder Markgräfin Jutta von Meißen?« Das war Guda.
    »Die wird sich nicht mit Heinrich überwerfen wollen«, meinte Isentrud.
    »Oder dein Onkel Ekbert in Bamberg?« Gisa ließ nicht locker.
    Elisabeth sträubte sich immer noch. »Ich will die Kinder nicht verlieren«, weinte sie.
    »Es ist doch nur vorübergehend. Bis dein Beichtvater da ist und wir wissen, wie es weitergeht.« Gisas Stimme war eindringlich. »Denk doch nur, Elisabeth, was wäre, wenn eines von den Kleinen ernsthaft krank würde! Das Fieber rafft zur Zeit so viele dahin …«
    Mit einem Aufschrei presste Elisabeth die Fäuste gegen die Schläfen. »Lasst mich! Lasst mich doch alle in Ruhe! Ich will doch nichts Böses! Ich liebe meine Kinder! Warum versteht mich niemand?« Sie sprang auf, raffte die Decke um sich und floh zur Tür hinaus. Gisa lief ihr nach und versuchte, sie zurückzuhalten. »Bleib!«, rief sie, während sie draußen in der Kälte mit Elisabeth rang. Isentrud kam ihr zu Hilfe, und beiden gelang es, sie wieder ins Haus zu zerren.
     
    Und dann, unvermutet, trat Mechtel vor Elisabeth hin. Sie hatte die ganze Zeit stumm neben dem Feuer gesessen und zugehört. Noch nie hatte sie gewagt, sich an den Gesprächen der Frauen zu beteiligen, dafür hatte sie viel zu viel Ehrfurcht vor der Landgräfin und ihren Zofen. Aber jetzt, fand sie, war es an der Zeit, dass auch sie ihr Schweigen brach. »Frau Elisabeth«, sagte sie einfach, »schickt Eure Kinder weg. Das ist wohl recht, denn der Herrgott liebt die Kleinsten und will nicht, dass sie leiden. Seht Euch um – dies hier ist kein Ort für sie.«
    Elisabeth starrte Mechtel überrascht an. Dann, langsam, öffneten sich ihre geballten Fäuste. »Tut, wie ihr wollt«,

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